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Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wensierski
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die Basis für eine verlässliche Zusammenarbeit nicht mehr da, jeder Antragsteller gefährde zudem die ganze Arbeit der Gruppe, weil er unter besonderer Beobachtung der Behörden stehe.
    Es gibt nur wenige Gruppen in der Szene, die offen sind für Antragsteller. Dabei grenzt doch schon der Staat jeden aus.
    Jens fand es anmaßend, anderen vorzuschreiben, was richtig und was falsch sei. Es gab so schon jede Menge Vorschriften, da brauchte er nicht auch noch welche von der Opposition. Er hatte überhaupt genug davon, dass eine Riege alter Herren, die im Lande die Macht hatte, für Zwanzigjährige entschied, wie deren Zukunft auszusehen hatte. Jens wollte darüber so weit wie möglich selbst entscheiden können, und er hatte jetzt einen Weg gefunden.
    Als seine Eltern wieder nach Leipzig aufbrachen, versicherten sie ihm noch einmal, dass sie immer hinter ihm stehen würden, auch wenn er noch stärker in Konflikt mit der Obrigkeit geraten würde.
    Du brauchst auf uns keine Rücksicht zu nehmen, Jens. Wie’s auch kommt, uns kann keiner mehr was anhaben , sagte sein Vater zum Abschied.
    Jens umarmte ihn.
    Ich danke euch für die gute Kindheit, die ihr mir gegeben habt, in der ich so viel Sicherheit und Selbstvertrauen gewonnen habe.
    MARIE SCHLOSS die Wohnungstür und setzte sich an den Küchentisch.
    Es war schön mit deinen Eltern, und es war gut, zu spüren, dass sie dich verstehen. Ich finde es klasse, dass sie dich in deiner Kompromisslosigkeit unterstützen und dich nicht auffordern, dich anzupassen. Sie glauben an deine Leidenschaft. Ich übrigens auch.
    Marie schwieg einen Moment.
    Ich finde es so ungerecht, dass sie dir an der Uni alles kaputt gemacht haben. Warum gibt es immer nur ein Ja oder Nein?
    Jens setzte sich zu ihr.
    Ein Dilemma unserer Gesellschaft ist, dass es für sie immer nur um Freund oder Feind geht, dazwischen ist nichts. Mich beschleicht das Gefühl, dass es nicht mehr viel Spielraum für mich gibt. Und was ist, wenn sie mit dem Rauswurf aus der Uni noch nicht zufrieden sind und mir noch mehr Steine in den Weg legen?
    Marie versuchte, Jens aufzumuntern.
    Warte doch mal ab, wie es mit deiner freien Arbeit klappt. Deine Vorträge laufen gut, und ich freu’ mich auf die Reise mit dir. Vielleicht geht ja alles gut aus. Irgendwie geht es doch immer weiter.
    Jens lachte sie an.
    Es muss ja auch in der DDR nicht alles so kleinkariert bleiben, wie es ist. Gorbatschow verändert doch gerade die festgefahrenen Dinge in seinem Land, davon muss doch auch bei uns was ankommen.
    Marie lehnte sich über den Tisch.
    Du, ich hatte heute ein ganz eigentümliches Erlebnis, als ich aus der Bibliothek kam. Da saß ein alter, weißhaariger Mann mit freiem Oberkörper in der Sonne, und weil ich ihn etwas angestarrt hatte, sprach er mich gleich an. Er hat mir was gesagt, das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Als deine Eltern da waren, wollte ich es nicht erzählen.
    Jens sah sie neugierig an.
    Er fragte mich: Was ist die schlimmste Falle im Leben? Und er gab mir auch gleich die Antwort: Mädchen, rief er, gründen Sie nie eine Familie! Geborgenheit schön und gut, aber dann ist man abhängig und erpressbar! Ist was Wahres dran, oder?
    Jens dachte kurz nach.
    Das ist genau das, was ich während meiner Armeezeit erlebt habe. Diejenigen, die Freundin, Frau, Familie hatten und gerne nach Hause fahren wollten, waren natürlich viel leichter ruhig zu halten als die anderen. Weil sie ja was wollten, was zu verlieren hatten. Denen konnte man gut mit Ausgangs- oder Urlaubssperre drohen. Wenn du gebunden bist, haben dich die anderen mit deinen Ängsten und Wünschen viel schneller in der Hand.
    Anfangs hat es mich schon getroffen, als ich während meiner NVA -Zeit Ausgangssperre bekam. Aber nach sechs Wochen ohne Ausgang aus der Kaserne drehte sich das plötzlich. Ich fand Gleichgesinnte und hatte endlich Zeit für gute Gespräche und spannende Bücher. Und ich habe lange Briefe geschrieben.
    Mir hat es nichts ausgemacht, wenn ich das ganze Wochenende eingesperrt in der Kaserne verbringen musste, mir konnten sie damit nicht drohen, ich hatte keine Freundin.
    Marie nahm ihn in die Arme.
    Aber jetzt hast du eine!
    JENS WOLLTE am selben Tag noch nach Greifswald fahren. Er bewahrte in seiner dortigen Wohnung Teile seiner Reiseausrüstung auf, die er und Marie nun in der Rykestraße brauchten. Er hatte für seine Arbeit an der Ostsee eine Unterkunft gesucht und gefunden. Von dort war es nicht weit zum Meer und nicht viel weiter zum

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