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Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wensierski
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blauschwarze Wolken mit hohem Tempo auf sie zu. Es wetterleuchtete. Plötzlich fiel eine weiße Kugel neben Marie ins Gras. Pflaumengroße Eisstücke schlugen am Ufer auf die Steine und zersprangen. Einen Moment lang blickten die beiden dem Schauspiel fasziniert zu, dann griff Jens Maries Hand.
    Los, komm!, rief er und zog sie in ihr Lager.
    Der Hagelschauer würde ihr Zelt zerreißen, fürchteten sie.
    Dann war es wieder ganz still.
    Marie öffnete das Zelt.

Kapitel 12 In der Jurte
    Genauso schnell, wie der Hagelsturm gekommen war, genauso schnell hatte er sich wieder gelegt. Als Marie aus dem Zelt sah, schien bereits wieder die Sonne, nur eine weiße Schicht aus Eiskörnern bedeckte noch hier und da den Boden am Ufer des Sees.
    Die Zeit für den Aufbruch war gekommen, und sie verließen ihr Lager am Chöwsgöl Nuur. Von der nahe gelegenen Geologenstation gelangten sie mit einem der selten verkehrenden Lkws zurück nach Murun. Dort erfuhren sie von einem Flug, der am nächsten Tag über einige Stationen nach Chowd gehen sollte, eine Distrikthauptstadt etwa achthundert Kilometer entfernt im Westen der Mongolei.
    In Chowd wollten sie zu einem jungen Mann namens Tanju, den Jens bei einer früheren Reise durch Russland im Zugabteil kennengelernt hatte. Sie hofften, nach den einsamen Tagen am See nun etwas vom Leben der Nomaden kennenzulernen.
    Marie und Jens übernachteten in der Nähe von Murun. Ihr Zelt hatten sie diesmal viel zu nah an einer Straße aufgeschlagen, sie wurden immer wieder vom Lärm einzelner Fahrzeuge wach und waren am frühen Morgen sehr müde. Sie verschliefen fast die Abflugzeit, packten schnell ihr Zelt zusammen und eilten zum Flugplatz. Sie wollten den Flug keinesfalls verpassen.
    Sie waren pünktlich und trotzdem viel zu früh. Niemand war da. Kein Flugzeug weit und breit, es flog einfach nicht zur versprochenen Zeit. Sie mussten warten.
    Es machte ihnen inzwischen immer weniger aus, wenn sie warten mussten. Sie hatten längst verstanden, dass ihr Zeitgefühl nichts mit dem der Mongolen zu tun hatte. Die Uhr spielt in diesem Land keine große Rolle. Man kommt, wenn man so weit ist, man geht, wenn man alles gesagt oder getan hat. Wichtiger als die Uhrzeit ist die Stimmung, in der man sich trifft oder auseinandergeht. Marie und Jens lernten abzuwarten, was sich entwickeln würde. Die Leute hier waren auf ihre Art zuverlässig, am Ende wurde ein Problem stets gelöst.
    Es klappte auch diesmal. Ein Frachtflugzeug landete, der Pilot ließ sie umsonst mitfliegen. Sie stiegen vom Heck her mit sechs anderen Passagieren in die riesige russische Maschine ein. Sämtliches Gepäck wurde in der Mitte des Frachtraumes gestapelt und festgezurrt, Marie und Jens bekamen jeder einen Fensterplatz auf einer schmalen Bank.
    Als sie über die Ausläufer der Wüste Gobi flogen, war der Himmel wolkenlos. Sie überquerten das lange Band der Chongorin Els, einer der größten Wanderdünen der Welt. An ihrem Fuß schlängelte sich ein Fluss entlang, an dem hin und wieder kleine Oasen zu sehen waren. Während sie darüber hinwegflogen, änderte die Düne ihre Farbe, erst schimmerte sie gelb, dann leuchtete sie silbern zu ihnen hinauf. Jens bedauerte, dass sie im Flugzeug nicht das singende Geräusch der nachrutschenden Sandkörner hören konnten, von dem er gelesen hatte.
    Nach einem Zwischenstopp ging es weiter Richtung Nordwesten nach Chowd, stundenlang über menschenleeres Land. Hin und wieder entdeckte Marie tief unter ihrem Fenster glitzernde Wasserflächen mitten in der Wüste.
    Auch davon hatte Jens gelesen.
    Gobi bedeutet Welt ohne Wasser. Aber nur ein kleiner Teil der Wüste besteht aus reinem Sand. Es gibt die Steppen- und die Steinwüste. Das da unten sind gefrorene Dünenfelder. Im Winter geht die Temperatur in der Gobi auf minus fünfzig Grad runter, und im Sommer tauen manche Ecken nicht auf. Durch den Dauerfrost in den Bodenmulden kann der Regen, wenn er fällt, nicht versickern. Darum sind dort Salzseen entstanden.
    Marie fragte sich, ob es in der Mongolei irgendetwas gab, worauf Jens sich nicht vorbereitet hatte. Sie war überrascht, wie viele Seen unterschiedlicher Größe mitten in der Wüste existierten, ohne grüne Ufer, ohne Bäume oder Sträucher, direkt umgeben von Trockenheit.
    Bald darauf wandelte sich die Landschaft wieder. Jens fotografierte, obwohl es der russische Pilot verboten hatte, das Flussdelta des Chowd Gol mit seinen vielen kleinen Flussarmen inmitten von grünen Weideflächen und mit

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