Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
folgen wieder drei größere Blöcke. Der erste beschreibt Jesu Wirken in Galiläa, der zweite seine Reise nach Jerusalem, der dritte sein Wirken dort. Die letzten beiden Teile beinhalten die Passion sowie die Auferstehungserzählungen.
Johannes
Das Johannesevangelium ist nicht nur in der Reihenfolge der kanonischen Evangelien das letzte, es ist wahrscheinlich auch das jüngste – in der Exegese mehren sich die Stimmen derer, die entgegen der bisherigen Praxis, nun das Johannesevangelium für das älteste Evangelium halten – und wurde als letztes kanonisiert. Bereits ein kurzer Blick in diese Schrift zeigt deutliche Differenzen zu den Synoptikern. Doch zunächst einmal stellt sich die Frage: Wer war dieser Johannes, von dem im 21. Kapitel des Evangeliums gesagt wird, er war der „Jünger, den Jesus liebte“? Es ist das einzige Evangelium, das überhaupt einen Hinweis auf seinen Autor gibt. Doch wie bei den Fremdzuschreibungen bestimmter Personen als Verfasser der synoptischen Evangelien durch die Tradition ist eine gewisse Skepsis bezüglich der Identifizierung des Schreibers des Johannesevangeliums mit dem Herrenjünger Johannes angebracht. Die gesamte Darstellung des Lebens und Lehrens Jesu durch Johannes ist von einer eigenständigen Theologie geprägt, die sich stark von den Synoptikern unterscheidet. Man könnte nun einwenden, dass es sich hier vielleicht um eine ursprüngliche und direkte Wiedergabe der jesuanischen Lehre handeln könnte. Dem ist zu entgegnen, dass der historische Jesus bei Johannes nahezu keine Rolle spielt. Sein Jesus ist der erhöhte, nachösterliche Gottessohn, der in die Welt kam, um die Wahrheit zu verkünden und das Licht zu bringen, aber von dieser Welt nicht erkannt wurde. Das ganze Evangelium verfolgt einen theologischen Aufriss, der an historischen Ereignissen wenig Interesse hat. Nicht das Gottesreich, das durch Jesus verkündigt wird, steht hier im Mittelpunkt, sondern Jesus, der sich selbst verkündigt. Es ist daher anzunehmen, dass diese Schrift nicht von einem Augenzeugen Jesu verfasst wurde, sondern von einem Menschen, der bereits auf verschiedene Überlieferungstraditionen der Ereignisse von Leben, Leiden und Auferstehung Jesu blicken konnte. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass die drei johanneischen Briefe des Neuen Testaments in engem sprachlichen und theologischen Zusammenhang zum Evangelium stehen. Man spricht daher heute von der johanneischen Schule. Einer der wenigen Tatbestände, der in Bezug auf das Johannesevangelium als gesichert gelten kann, ist die redaktionelle Überarbeitung undErweiterung dieser Schrift durch die johanneische Schule. Sowohl Abfassungszeit und Umfang der redaktionellen Überarbeitung des Textes sowie seine Quellen sind in der Exegese heftig umstritten. Einer der Hauptgründe liegt in der Frage, ob das vierte Evangelium gnostisch beeinflusst ist oder nicht, ja ob es nicht sogar eine Abwehr der Gnosis darstellt. Unumstritten ist hingegen, dass es sich in gnostischen Kreisen, so z. B. bei den Manichäern, größter Beliebtheit erfreute. Exegeten, die bei Johannes gnostische Einflüsse sehen, tendieren zu Syrien als Abfassungsort, diejenigen, die kaum oder keine gnostischen Elemente verwendet sehen, verlegen den Abfassungsort nach Kleinasien, genau nach Ephesus, denn für Ephesus lässt sich eine überlieferte altkirchliche Johannestradition nachweisen. Der Legende nach soll der Jünger Johannes in Ephesus begraben sein. Auch wenn er nicht der Verfasser des Evangeliums war, so beruft sich die johanneische Tradition auf ihn. Ferner verweist die Wirkungsgeschichte nach Kleinasien. Man vermutet seine Abfassung zwischen 100 und 110 n. Chr., da das Johannesevangelium, wie die Synoptiker auch, den Untergang des Jerusalemer Tempels voraussetzt, aber bei den christlichen Schriftstellern der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts noch nicht bezeugt ist. Der erste sichere Beleg für die Existenz dieser Schrift datiert aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts.
An wen richtete sich das Johannesevangelium? Die starke Ablehnung des Judentums setzt einen Bruch mit der Synagoge voraus, der von der Zeit der Abfassung schon etwas zurückliegt. Die radikale Ablehnung des jüdischen Gesetzesverständnisses, die Distanz zu jüdischen Bräuchen, aber auch sprachliche Hinweise wie die Übersetzung aramäischer Begriffe, lassen auf eine dem Judentum nicht mehr verhaftete Gemeinde schließen. Die sehr negative Zeichnung der Juden ist jedoch nicht
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