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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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verschiedensten häretischen Gruppierungen. In der Frage der Kanonisierung spielte die Auseinandersetzung zwischen den Montanisten – die in Kapitel 3 ausführlicher behandelt werden – und den Alogern eine erhebliche Rolle. Die Montanisten schätzten dieses Evangelium mehr als die anderen drei, während die Aloger es aufgrund dieser Tatsache ablehnten. Der Begriff Aloger war eine Erfindung des Theologen Epiphanius. Er wählte ihn aus zwei Gründen. Zum einen bezeichnete er damit die ablehnende Haltung dieser Gruppe gegenüber dem im Johannesevangelium verkündigten Logos. A steht im Griechischen oft für die Verneinung; sie waren A-Logiker, gegen den von Johannes verkündeten Logos, also Aloger. Zum anderen bezeichnete er sie als Aloger, weil sie ohne Vernunft seien. Logos kann im Griechischen Vernunft heißen und das A steht wieder für die Verneinung.
    Die Kritik der Aloger am Johannesevangelium bestand vor allem in seiner eigenwilligen historischen Darstellung, die keine Übereinstimmung mit den anderen Evangelien aufwies. Ferner behaupteten sie, es würde den Aposteln widersprechen. Die Aloger vertraten die Auffassung, nicht der Herrenbruder Johannes sei der Verfasser dieses Werkes, sondern der Gnostiker Kerinth. Begründet wurde diese Ansicht damit, dass die im Johannesevangelium geschilderte Taufe Jesu die kerinthische Lehre widerspiegele. Nach dieser kam der himmlische Christus erst im Akt der Taufe in Form einer Taube auf den Menschen Jesus nieder. Die Aloger schienen keine Freunde von Geistspekulationen, Prophetien und Schwärmereien gewesen zu sein. Dafür spricht insbesondere ihre Ablehnung des Montanismus und damit verbunden die der Johannesapokalypse. Vielmehr hingen sie einer vernunftorientierten Richtung im Christentum an.
    Ein letzter Blick sollte doch noch auf die Frage gerichtet sein, ob es gnostische Elemente in diesem Evangelium gibt oder nicht. Den Einfluss gnostischen Denkens mit dem Hinweis abzutun, dass das typische Merkmal der Gnosis, die Schöpfung der Welt als Akt eines von Gott abgefallenen, finsteren Wesens, bei Johannes nicht vorkommt, stellt nicht nur eine ungemeine Verkürzung der Gnosis dar, sondern geht auch am Problem vorbei. Von der Wirkungsgeschichte dieser Schrift lässt sich auf jeden Fall sagen, dass sie mit der Gnosis verknüpft ist. Dafür spricht unter anderem die Tatsache, dass sie bei gnostischen Schulen sehr beliebt war. Es kann daher auch nicht verwundern, dass das Johannesevangelium das letzte war, das allgemein anerkannt und in den Kanon aufgenommen wurde. Aber auch im Text selbst lassen sich gnostische Elemente feststellen, so zeichnet gerade der Prolog eine starke Dualität von der Welt als Ort der Finsternis, in der Christus nicht erkannt wird, und dem Ort des Lichtes, aus dem das Wort kommt. Auch die Betonung von Erkenntnis stellt ein Wesensmerkmal der Gnosis dar. Insbesondere die „Ich-Aussagen“ Jesu zeigen eine Verwandtschaft zur mandäisch mythologischen Gnosis und zur jüdischen Weisheitsliteratur. Damit soll nun nicht gesagt werden, dass das Johannesevangelium eine rein gnostische Schrift ist, aber gnostische Spekulationen fanden in ihr auf jeden Fall ihren Niederschlag.

3. G ESCHICHTE DER K ANONISIERUNG
G RÜNDE FÜR DIE K ANONISIERUNG
    Wie kam es nun dazu, dass ausgerechnet die Evangelien des Markus, Matthäus, Lukas und Johannes sowie die Werke der Apostel, d. h. die übrigen Schriften des Neuen Testaments, im Lauf des 2. Jahrhunderts immer mehr Geltung erlangten und schließlich kanonisiert wurden? Dazu ist als erstes zu bemerken, dass es bis Mitte des 2. Jahrhunderts nicht darum ging, einer oder mehreren Schriften absolute Gültigkeit, d. h. normative Kraft zuzuschreiben, sondern es ging um die Überlieferung der Jesustradition. In den ersten Jahrzehnten des Christentums war die oberste Autorität der Herr, Jesus Christus, und nicht eine Schrift. Wenn eine Schrift neben den Jesus-Worten Autorität besaß, dann das Alte Testament, über dessen Umfang aber auch noch keine endgültige Entscheidung gefallen war. Um die Tradition der Lehre Jesu zu wahren, begann man das Gehörte zu sammeln, zu ordnen und niederzuschreiben. Gründe für die Verschriftlichung wurden schon angesprochen: der im sozio-kulturellen Umfeld verbreitete Schriftgebrauch, sei es im hellenistischen Umfeld oder im Judentum, sowie der Versuch durch Verschriftlichung die Tradition zu wahren, dort wo eine große räumliche Entfernung zwischen dem Verkünder der Lehre und seiner Gemeinde

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