Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
niederschlugen, um dann von unten in Männergesichter zu blitzen, als wäre das alles, was es bräuchte zum Glück.
Ein Mädchen kreischte lüstern, Männer lachten dröhnend. Die ersten Schwaden von Schweiß wehten durch das Fenster. Da endlich raffte der Retter sich auf. Er rannte die Gasse hinab, weg von den Prachthäusern und hinein in die schmalen Straßen, die neben dem Römer lagen. Er durcheilte den Weckmarkt, hielt an vor einem Haus, klopfte so heftig, dass das Türblatt zitterte. Eine Frau mit Nachthaube öffnete ihm. «Was wollt Ihr?», fragte sie barsch. «Wer seid Ihr?»
Der Retter ordnete seine Kleidung. «Woher ich komme, das seht Ihr selbst», erwiderte er und deutete auf das, was er am Leibe trug. «Gekommen bin ich, um Eure Tochter zu bitten, mit mir zu kommen. Es ist wichtig. Sie kann uns helfen. Wir brauchen frische Kerzen.»
Die Frau kniff misstrauisch die Augen zusammen. «Was kann die Ernestine Euch schon helfen? Wollt Ihr die Kerzen gleich mitnehmen? Kommt Ihr deshalb?»
«Ja, gute Frau. Wir brauchen sie jetzt.»
Die Frau rückte ihre Nachthaube zurecht. «Kann das nicht warten bis morgen?», fragte sie.
Der Retter schüttelte den Kopf. «Am Abend und in der Nacht braucht man Licht. Am Tage kommen wir selbst zurande. Also gebt uns drei Dutzend Kerzen und das Mädchen, damit sie die alten Stummel einsammelt und Ihr uns alles gut verrechnen könnt.»
Die Frau seufzte und rief nach ihrer Tochter. Sie bat hernach den Retter herein, auf dass er sich die Kerzen selbst aussuchen sollte. Dann packte die Frau die Ware in einen Korb, überreichte ihn der Tochter und sagte: «Sieh zu, Stine, dass du dich eilst. Dieser Tage ist es nicht sicher auf den Straßen der Stadt.»
Der Retter verzog das Gesicht zu einem Lächeln. «Ich werde bei ihr bleiben. Niemand kann ihr zu nahe kommen.»
«Bringt Ihr sie uns wieder nach Hause?», wollte die Frau noch wissen.
«Gewiss!» Der Retter nickte. «Ich werde Eure Ernestine nach Hause bringen. Dorthin, wo sie keine Angst mehr haben muss, sondern die Ruhe und den Frieden genießen kann.»
«Ihr sprecht merkwürdig», stellte die Mutter fest.
Der Retter hob kurz eine Hand. «Ich bin viel herumgekommen, habe viel gesehen und erlebt. Schon möglich, dass sich dadurch auch meine Sprache verändert hat. Aber nun lasst uns eilen, die anderen warten dringlich, dass ein Licht ihre Dunkelheit durchbricht.»
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Kapitel 38
W ieder stand Gustelies am Herd und kochte. Sie hatte die Ärmel ihres Kleides aufgerollt und ließ ihr langes, schweres Haar, welches sie mit Kamille und Essigwasser gespült hatte, trocknen. Heute, hatte sie sich vorgenommen, würde sie Frankfurter Brenten herstellen. Den Teig dafür hatte sie gestern schon angerührt und über Nacht stehen lassen. Dafür hatte sie Mandeln fein gerieben, hatte Rosenwasser und Honig hinzugefügt und die Masse bei schwacher Hitze so lange gerührt, wie es ihr richtig schien. Heute schlug sie einige Eiweiße steif und hob sie vorsichtig unter die Masse, stäubte die hölzernen Brentenformen mit Mehl aus und schob dann alles ins Backrohr.
Mhhhmm. Ihr lief jetzt schon das Wasser im Munde zusammen, wenn sie an die Gebäckstücke dachte. Und so langsam erfüllte auch der leckere Duft den Raum. Sie summte Küchenlieder vor sich hin, bis sich am frühen Abend die Küche mit den Freunden und Verwandten füllte.
«Wann kommt denn Bruder Göck heute?», wollte Gustelies wissen, als die Brenten im Rohr buken. «Ich würde ihm zu gern die Ohren rubbeln. Wie kann er den Novizen allein im Pfarrhaus lassen, damit er die Tinte einkocht. Hast du gesehen, was für eine Schweinerei er angerichtet hat?»
Sie deutete auf den befleckten Boden, doch noch ehe der Pater antworten konnte, fuhr sie schon fort: «Und wie soll das hier weitergehen? Der ganze Sud ist eingekocht zu einer dicken, dunklen Brühe.» Sie hob die Hände über den Kopf. «Habe ich schon erzählt, dass der Novize zwei ganze Kannen vom guten Dellenhofener Spätburgunder in die Brühe geschüttet hat? Na, wenn der Antoniter heute Abend kommt, dann werde ich ihm Wasser vorsetzen. Seine Weinration schwimmt schließlich in der Tintenbrühe.»
«Er kommt heute nicht!» Pater Nau sagte das so beiläufig, dass Gustelies aufhorchte.
«Er kommt nicht? Warum das denn? Bruder Göck kommt immer. Hat er etwa keinen Hunger?»
Pater Nau verzog den Mund, rutschte ein wenig auf der Bank hin und her, schwieg aber.
Jutta Hinterer, die neben ihm saß, stieß
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