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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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tanzte, der den Eltern durch Verwandtschaft verpflichtet war? O Gott. War der Henn etwa nur mit ihr spazieren gegangen, weil seine Stiefmutter es ihm aufgetragen hatte? Hatte er sie deshalb ohne Antwort am Mainufer stehen lassen? Hatte sie sich nur eingebildet, er wäre ein wenig verliebt in sie? Sie schlug die Hände vor das Gesicht, doch die Mutter zog sie weg. Und schon stand er da, der Tantenstiefsohn, und lächelte sie an. Er war groß, beinahe einen Kopf größer als sie selbst, und seine Schultern waren vom Goldschlagen so breit wie die eines Aufladers.
    Er sah aus wie immer mit seinem breiten Gesicht und den Haaren von der Farbe getrockneten Heus. Aber Gustelies schien es, als sähe sie ihn heute zum ersten Mal. Sie hatte nicht gewusst, wie gut Henn aussah. Erst jetzt, zwischen den anderen Tänzern, stach er aus ihnen hervor wie eine stolze Tanne im Birkenwald. Wenn er lachte, entblößte er große, kräftige Zähne. Und zupacken konnte er! Er schwang Gustelies herum, als wäre sie nicht schwerer als ein Federbett. Einmal warf er sie sogar ein Stück nach oben und lachte, als er ihr erschrockenes Gesicht sah. Und einmal, als niemand zu ihnen schaute, da strich er mit seinen rauen Fingern so sanft über ihre Wange, dass es sich anfühlte, als hätte ein Schmetterling sie gestreift. Gustelies fühlte sich wohl in seinen Armen. Sicher und geborgen. Und sie lachte mit ihm. Er war spaßig, machte Bemerkungen über die anderen Mädchen, die nicht weh taten, sondern den Punkt trafen.
    «Schau», sagte er zum Beispiel. «Da drüben, da tanzt Haubenmachers Liesel. Sie hüpft wie ein Reh. Wenn ihr Tänzer nicht aufpasst, läuft sie ihm noch davon.» Oder: «Sieh nur, der Franz aus der Kannengießergasse. Er stampft um sein Mädchen herum, als wolle er den Boden neu besorgen.» Und Gustelies lachte und ließ es geschehen, dass der Goldschläger Henn eine Hand auf ihre Schulter legte und sie ein wenig drückte. Und in seinen Blicken konnte sie sich spiegeln, konnte sehen, wie jung und schön und begehrenswert sie war.
    «Ich hatte schon Furcht, du kämst nicht mehr», flüsterte sie.
    «Ach was. Ich musste noch eine Arbeit fertig machen. Niemals im Leben hätte ich dich allein zum Tanz gehen lassen. Ich mag dich nicht mit anderen Männern teilen. Weißt du, ich wollte dich heute etwas fragen …»
    «Ja?» Gustelies hielt die Luft an. War das der Augenblick aller Augenblicke? Würde sie gleich den Satz hören, nach dem sich alle jungen Mädchen verzehrten? Ihr Herz klopfte so wild in ihrer Brust, als wollte es durch die Rippen brechen. «Ja?», hauchte sie noch einmal.
    Aber da kam der Vater wieder auf die Tanzfläche gelaufen und packte sie beim Arm, zog sie einfach weg von Henn, weg von ihrem Glück. «Der Richterssohn, der Kurzweg, der hat mich um deinen nächsten Tanz gebeten.» Nur kurz wandte er sich an den Neffen. «Du gestattest doch, nicht wahr? Gustelies ist nicht nur wegen dir heute gekommen.»
    Gustelies flehte den Vater mit Blicken an, sie doch beim Henn zu lassen, aber der zerrte an ihrem Arm. Und der Henn, der zerrte am anderen Arm.
    «Ist sie nicht alt genug, um selbst zu sagen, mit wem sie tanzen mag?», fragte er.
    Gustelies’ Vater kniff die Augen zusammen und blitzte den jungen Mann empört an. «Ich bin der Vater. Mein Wort gilt. Wenn nicht für dich, so schon noch für meine Tochter.»
    Und Gustelies hatte es nicht gewagt, dem Vater zu widersprechen. Der zog sie zu sich und raunte ihr zu: «Ein Richterssohn, der selbst schon bald Richter wird. Zu so einem kann man nicht nein sagen. Nicht zu so einem. Was willst du mit einem Goldschläger? Immer nur Arbeit und Mühe und Dreck und Gestank im Haus. Ein Richter, das ist ein feiner Herr, der macht sich die Hände nicht dreckig. Der hat sogar mit dem Rat zu tun.»
    Einmal noch drehte sich Gustelies um und warf dem Henn einen Blick zu. Der stand da, die Fäuste geballt, aber machtlos. Und dann tanzte sie mit dem Kurzweg, der sie so hölzern führte, dass sie meinte, selbst ganz steif zu werden. Und er lachte auch nicht, der Richterssohn. Ganz ernst hielt er sie beim Arm, als hielte er den Hammer über den Richtertisch. Und Gustelies lächelte ihn unter Tränen an, aber der künftige Richter lächelte nicht zurück, sondern sagte nur: «Ich möchte wetten, der Teufel hat sich den Tanz ausgedacht. Es liegt nicht im Blut eines Mannes, die Hüften zu schwenken und zierliche Schritte zu machen.» Und Gustelies nickte, blickte nun selbst ernst drein und warf

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