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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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an.
    «Siehst du, jetzt hast du ihn aufgeweckt.» Hella verdrehte die Augen, erhob sich, drückte Flora ihrer Mutter in die Arme und nahm Fedor aus der Wiege.
    «Es ist etwas geschehen», keuchte Gustelies. «Ist dein Mann zu Hause?»
    Hella, ansonsten so neugierig wie eine Katze, blieb erstaunlich ruhig. «Nein, er ist auf dem Malefizamt. Dort, wo er hingehört. Den ganzen Tag bin ich mit den Säuglingen alleine. Ich komme kaum hinterher mit all der Arbeit, den Einkäufen, dem Kochen und der Wäsche. Und jede Nacht muss ich drei- bis viermal aufstehen, weil die Kinder schreien. Wenn du ihn siehst, so sage ihm, er braucht sich heute gar nicht erst auf ein gutes Abendbrot zu freuen. Ich hatte keine Zeit, etwas zu kochen. Soll er doch in die Ratsschänke gehen.»
    «Hella, es ist ein Unglück geschehen. Etwas schier Unglaubliches.» Gustelies’ Stimme klang noch immer gehetzt. Sie riss an ihrem Brusttuch, dann ließ sie sich auf die Küchenbank fallen, Flora an sich gepresst.
    «Was denn?» Hella hatte sich den kleinen Fedor an die Brust gelegt, und der Junge saugte, als hätte er seit Tagen hungern müssen.
    «Ich war auf dem Friedhof, am Grab deines Vaters.»
    «Oh», erwiderte Hella nur, und das schlechte Gewissen machte sich auf ihrem Antlitz breit. «Ich sollte auch einmal wieder dorthin gehen. Ich habe ihm noch gar nicht unsere Kinder gezeigt.»
    «Ja, aber darum geht es jetzt nicht. Es lag eine Leiche dort in einem Grab! Im Grab der von Zehlens. Und das Schlimmste daran: Es war keine aus der Familie von Zehlen, sondern die Tochter eines Goldschlägers.»
    Gustelies’ Stimme war schrill, aber Hella ließ sich nicht beunruhigen. «Eine Leiche in einem Grab auf dem Friedhof. Was ist daran so ungewöhnlich? Gehören die da nicht hin?»
    «Ja, aber doch nicht in ein fremdes Grab!»
    Hella zuckte mit den Schultern. «Die ganze Stadt steht kopf, warum sollte es dem Totengräber besser gehen? Er wird die Gräber verwechselt haben. So etwas kommt vor. Im Übrigen ist das so schlimm auch wieder nicht, denn die Hauptsache ist ja wohl, dass eine Leiche in die Erde kommt. Dem Herrgott wird’s egal sein, wo genau sie liegt, wenn es nur innerhalb der Friedhofsmauer ist.»
    «Nein, nein, nein!» Gustelies schüttelte vehement den Kopf. «Das war kein Irrtum, das Mädchen lag ohne Sarg in der Erde. Ohne Sarg und ganz eigentümlich hergerichtet. Auf der Stirn trug sie ein Aschenkreuz.»
    Stockend und noch immer nicht wieder ganz bei Atem berichtete Gustelies, was sie erlebt hatte, doch Hella war noch immer nicht zu erschüttern. «Vielleicht hat der Totengräber vergessen, das Grab zuzuschütten. Vielleicht ist ihm etwas dazwischengekommen. Eine andere Leiche womöglich, die dringlicher bedacht werden musste.»
    Gustelies schüttelte heftig den Kopf. «Verstehst du denn nicht? Sie lag an der Wand, an der die Reichen und Wichtigen liegen. Ohne Sarg und ohne Leichentuch. Keiner, der dort begraben werden soll, wird ohne Sarg in die Erde gelegt. Ich befürchte, da ist ein Verbrechen geschehen, ein Mord womöglich!» Sie stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Wieder zuckte Hella nur gleichgültig mit den Schultern. «Wer weiß, was da schiefgegangen ist. Deshalb ist nicht jede Leiche gleich ein Mordopfer. Heinz hat es auch schon gesagt: Seit du Großmutter geworden bist, hast du dich ziemlich verändert.»
    Gustelies sprang auf. «Was soll das denn heißen?», fragte sie empört.
    Hella legte den Säugling zurück in seine Wiege. «Nichts weiter. Nur, dass du in letzter Zeit immer so schlecht gelaunt bist. Vielleicht hat Bruder Göck recht, und dir fehlt wirklich eine richtige Aufgabe.»
    «Bruder Göck? Du redest mit Bruder Göck über mich?» Gustelies war so empört, dass sie kaum nach Luft schnappen konnte.
    Hella nickte. «Uns allen ist aufgefallen, dass etwas mit dir nicht stimmt. Warum sollen wir nicht darüber reden? Vielleicht können wir dir ja helfen.»
    «Auf so eine Hilfe kann ich verzichten!», zischte Gustelies und legte die kleine Flora etwas ruppig zurück in die Wiege. «Wenn du mir nicht glaubst, dann muss ich wohl auch nicht länger bleiben.»
    Sie strich ihr Kleid glatt, nahm ihren Korb und griff nach der Türklinke.
    «Wohin willst du denn so eilig?», rief Hella ihr nach. «Ich dachte, du könntest vielleicht mal was Schönes für uns kochen. Damit wäre mir sehr geholfen.»
    Gustelies fuhr herum. «Ist das alles, wozu ich tauge? Kochen? Traust du mir sonst nichts mehr zu? Bin ich für die anderen Dinge zu alt?

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