Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Und wozu hast du eigentlich eine Magd?»
Hella gab keine Antwort. Sie saß mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen am Tisch und starrte ihre Mutter wortlos an.
«Aha. Du antwortest mir nicht. Dann stimmt es also: Ich bin zu alt und tauge nur noch zum Kochen. Weißt du was? Koch dir doch alleine etwas Schönes. Ich stehe jedenfalls nicht zur Verfügung. Da kannst du in fünfzehn Jahren vielleicht noch einmal nachfragen.»
Sie verschwand und die Tür knallte hinter ihr ins Schloss.
Gustelies eilte im Sturmschritt die Gassen der Stadt entlang zum Römer. Dort befand sich das Malefizamt, und darin ihr Schwiegersohn Heinz Blettner, der in Frankfurt das Richteramt versah.
Vor seinem Arbeitszimmer blieb sie stehen. Die Tür war nur angelehnt, und Gustelies erkannte die Stimme des Schultheißen und zweiten Bürgermeisters Krafft von Elckershausen im Gespräch mit ihrem Schwiegersohn.
«Seit drei Jahren wird alles teurer und teurer», hörte sie den Schultheißen sagen. «Unsere Magd will jede Woche mehr Geld von mir, um die Familie zu versorgen. Die Armen der Stadt nehmen überhand. Von daher ist es mir ganz recht, dass die Lutherischen nun den Almosenkasten verwalten. Unser Frankfurt ist pleite, ich sage es offen, wie es ist. Mir graut, wenn ich nur an das jährliche Hirschessen des Rats denke!»
«Ach ja, das Hirschessen!» Blettner stöhnte leise auf. Wie vielen anderen Bürgern der Stadt waren ihm die zahlreichen Gelage des Rates ein Dorn im Auge. Beinahe ununterbrochen stand der Stadtkoch nicht hinter den Töpfen, die den Gästen der Ratsschänke zugutekamen, sondern bekochte die hohen Herrn. Sogar einen eigenen Küchenmeister hielt sich der Rat. Einmal hatte Blettner die Rechnungen gesehen, und ihm war schwindlig geworden. Doch nicht nur das Hirschessen wurde einmal jährlich abgehalten, zu einem Preis, für den man die gesamte Vorstadt mit Brot und Bier versorgen könnte, sondern dazu kamen der Samstagstrunk der Ratsmitglieder, das Walpurgis- und das Pfingstgelage, das Unterzechen und die vielen Festlichkeiten zu den beiden Messen.
Das größte Gelage auf Stadtkosten aber war nun einmal das Hirschessen, berühmt über die Grenzen der Stadt hinaus. Dabei diente jedes Mal einer der prächtigen Hirsche, die im Hirschgraben unweit des Römers gehalten wurden, zum Festschmaus. Außer den Ratsherren und deren zahlreicher Sippschaft vergnügten sich dort zudem allerlei Ober- und Unterbeamte, alle Prälaten, Priester und Mönche, Edelleute und andere ehrbare Männer. Gewöhnlich bestellte der Rechenmeister der Stadt Frankfurt etliche Fuder kostspieligen Wein dazu. Doch nicht nur der ganze Hirsch wurde verspeist, sondern dazu noch andere deftige Gerichte, welche die Wirkung des Weines etwas eindämmen sollten, als da waren: gepfefferte Kuheuter, eingelegte Rinderzungen, sattgelbe Käselaibe und natürlich die fettesten Heringe, die sich auftreiben ließen. In diesem Jahr, so hatte Blettner gehört, war zusätzlich zu allem schon vorhandenen Überfluss noch ein Schwan bestellt worden, und es hieß, er solle vergoldet auf den Tisch kommen. Wie konnten da die Stadtkassen leer sein?
«Pleite können wir nicht sein, Schultheiß, die Messe in diesem Frühjahr war ergiebiger als je zuvor. Nie habe ich mehr Kaufleute in der Stadt gesehen. Waren es bisher nur die Händler aus Köln, Basel, Florenz, Rom, Mailand, Venedig, Pisa und Genua, dazu die aus dem weiteren Osten wie Prag und Warschau, so traf ich jetzt Großkaufleute aus Antwerpen, Lille und Mons.»
«Ja, ja, ich weiß. Und ich will überhaupt nicht darüber nachdenken! Wisst Ihr, was die mich gekostet haben? Mein Weib hat sich seidene und halbseidene Bänder bestellt, dazu Schnüre, Taffet, Atlas, Damast, Satin, Camelot und Grobgrün. Die Summe für fünf Jahre hat sie an einem Vormittag verbraucht. Tss!»
Blettner lachte. «So sind die Weiber.»
Vom Schultheißen war nur ein Knurren zu hören. «Das Hirschessen, mein Lieber, das liegt mir derzeit mehr im Magen als alles andere. Der Erzbischof von Mainz will jemanden schicken. Stellt Euch das vor! Oh, ich weiß genau, was der Erzbischof will. Gehört habe ich, dass er unserem Kaiser Karl V . wieder einmal vorgeschlagen hat, Frankfurt das Prädikat Reichsstadt zu entziehen und die Messe nach Mainz zu verlegen. Wisst Ihr, was das bedeutet?»
«Dann würde Frankfurt fast über Nacht in der Bedeutungslosigkeit versinken. Das kann der Erzbischof nicht ernst meinen», warf Blettner ein.
«Und ob er das kann,
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