Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
verriet. Und somit wäre sein Selbstmord ebenfalls eine Art Martyrium gewesen. Ich bin beinahe geneigt, dem zuzustimmen, doch Bruder Göck ist anderer Meinung.» Er schüttelte den Kopf und hob den Zeigefinger. «Mein Freund behauptet, dass Judas aus freiem Willen gehandelt hat und somit voll verantwortlich ist für seine Tat. Er hätte seinen Freund geopfert für dreißig Silberlinge. Noch nicht einmal des Glaubens wegen wie dazumal der Abraham den Isaak, den er ja im letzten Augenblick doch noch verschont hat. Was sagst du dazu? Kannst du dir vorstellen, wie hungrig so ein Disput machen kann?»
«Und durstig!», fügte Bruder Göck hinzu und sah Gustelies auffordernd an.
Die aber warf den Kopf in den Nacken und erklärte mit Nachdruck: «Ich habe einen Entschluss gefasst. Ich werde nicht mehr kochen. Nicht für euch, nicht für Hella und Heinz, nicht für Jutta. Gar nicht mehr. Überhaupt nicht mehr. Und euer Disput ist mir ganz und gar gleichgültig. Macht doch alle, was ihr wollt.»
«Hmm.» Pater Nau kratzte sich am Kinn. «Und warum nicht?»
«Weil ich das Gefühl habe, dass ihr alle über meinen Kochkünsten den Menschen in mir vergesst. Für euch bin ich nur die Nährmutter, mehr nicht. Aber ich bin ein Weib mit klugen Gedanken, die gehört werden sollten. Eine Tote habe ich auf dem Friedhof gefunden, aber denken der Richter oder der Schultheiß daran, sich der Sache anzunehmen? Immerhin geht es um eine Tochter dieser Stadt! Nein! Sie stellen mich hin als ein Weib, welches unter Überreizung und Überspanntheit leidet. Hätte nur noch gefehlt, dass mir der Schultheiß Baldrian angeboten hätte! So was! Dass ich das erleben muss!»
Plötzlich erinnerte sie sich an die beiden Geistlichen, die mit offenem Mund ihrer Rede gelauscht hatten.
«Geht in die Ratsschänke, wenn ihr Hunger habt. Kann gut sein, dass ihr dort auf den Richter trefft.»
«Nie mehr?», wollte der Pater wissen. «Heißt das, du willst nie mehr für uns kochen? Und wer macht meine Wäsche, wer putzt das Haus, wer geht auf den Markt und feuert den Herd an?»
Gustelies schob die Unterlippe nach vorn und zuckte mit den Achseln.
Der Pater sah aus, als wolle er vor Entsetzen umfallen, doch Bruder Göck packte ihn bei der Schulter. «Lass sie erst einmal. Sie wird sich schon wieder beruhigen. In der Ratsschänke soll es heute Kalbsbries geben.»
Pater Nau sah zu Bruder Göck, dann nickten die beiden und verließen das Pfarrhaus in Richtung Ratsschänke.
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Kapitel 7
W as macht ihr denn hier?» Richter Blettner traute seinen Augen kaum, als Pater Nau und Bruder Göck in die Ratsschänke kamen.
«Gustelies kocht nicht», erklärte der Pater betrübt. «Vielleicht niemals mehr. Und sie will wohl auch nicht mehr waschen und putzen und einkaufen. Was soll ich denn ohne sie machen?» Er wirkte regelrecht verzweifelt. «Gut, wenn sie nicht mehr für mich sorgen will, so werde ich eine andere finden, aber sie spricht kaum noch mit mir. Und sie ist so traurig. Genau wie damals, als ihr der Mann gestorben ist. Dabei will ich gar nicht mehr ohne sie sein. Das Haus wäre wie tot, wenn Gustelies fortginge.»
«Nun mal langsam», beruhigte Bruder Göck. «Von fortgehen hat sie einstweilen noch nichts gesagt. Du weißt doch, wie die Weiber sind. Sie haben Flausen im Kopf. So steht das schon in der Bibel. Oder, wie schon mein guter Professor der theologischen Fakultät dazumal in Straßburg sagte: ‹Frauen haben nicht mehr Hirn als ein Strohputz auf dem Acker, der für die Vogelschau ist hinausgestellt worden.›»
Blettner kicherte. «Das lasst mal Hella oder Gustelies hören, Antoniter, und ich kann schon direkt vor mir sehen, wie sie Euch, bewaffnet mit einer Heugabel, über einen Acker jagt.»
Das Schankmädchen kam an den Tisch und stellte einen Krug Wein und zwei frische Becher hin.
«Was wünschen die Herren zu speisen?», fragte sie und wischte sich die Finger an der Schürze ab.
«Was steht denn zur Auswahl?», fragte der Mönch und leckte sich die Lippen.
«Wir haben gesalzene Heringe und Biersuppe mit Hirnklößchen oder gebratene Nierchen vom Rind, dazu gibt es Wurzelgemüse.»
«Was ist mit dem Kalbsbries?»
Das Schankmädchen zuckte mit den Schultern. «Schaut Euch um: Beinahe jeder Tisch ist besetzt. Selbst die bravsten Familienväter essen heute Abend in der Ratsschänke. Das Kalbsbries ist aus.»
«Ich nehme die Nierchen», verkündete Bruder Göck. «Und vorher die Biersuppe. Und zum Nachtisch eine
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