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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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einem runden Gesicht, lehnte an einer Hauswand und verzehrte ein zweites Frühstück. Er biss gerade krachend in einen Apfel, als Gustelies näher kam. «Gott zum Gruße, Andres», sagte sie. Der junge Mann starrte sie aus runden Kuhaugen an. Es ist wirklich unglaublich, wie blöde runde Augen wirken, dachte Gustelies und musste sich anstrengen, um mit dem Mann nicht wie mit einem Kleinkind zu reden. «Groß bist du geworden. Groß und stark. Ein richtiges Mannsbild.» Sie sah ihn bewundernd an, doch Andres versuchte sich offenbar daran zu erinnern, woher die Frau ihn wohl kennen mochte, und kniff misstrauisch die Augen zusammen. «So manches junge Ding wird sich wohl alle zehn Finger nach dir lecken, nicht wahr?» Der junge Mann strahlte nun, warf sich in die Brust, ließ die Muskeln an seinen Oberarmen spielen. «Ich kann mich nicht beklagen», erklärte er und biss wieder in den Apfel.
    «Sag, ich suche die Adele», fuhr Gustelies fort. «Es heißt, sie wäre so geschickt beim Auftragen von Blattgold. Unsere Kirche könnte an einigen Stellen ein wenig Glanz vertragen. Weißt du, wo sie steckt?»
    Auf der Stelle verdüsterte sich das Gesicht des Jungen. «Ich habe sie nicht gesehen!», erklärte er. «Und außerdem muss ich jetzt weitermachen. Der Vater wird schon auf mich warten.»
    Er warf den Apfelbutzen in den Rinnstein und wandte sich zum Gehen, aber Gustelies hielt ihn am Ärmel zurück. «Wenn ich die Adele nicht finden kann, dann brauche ich jemand anderen, der geschickt mit Blattgold umgehen kann. Vielleicht weißt du ja jemanden?»
    Sofort entspannte sich das Gesicht des Jungen. Wieder warf er sich in die Brust. «Ich!», sagte er. «Ihr werdet in der ganzen Gasse keinen finden, der so fein arbeitet wie ich.»
    «Tja, das glaube ich dir gern. Aber du stehst keiner Werkstatt vor. Dann müsste ich wohl mit deinem Meister sprechen.»
    Der Junge sah zur Werkstatt seines Vaters, dann flüsterte er: «Der Vater muss nicht alles wissen. Ich bin nur der zweite Sohn. Wenn Ihr mir den Auftrag gebt, dann kann ich zeigen, was in mir steckt.»
    Gustelies tat erstaunt. «Ich dachte, du wirst die Werkstatt einmal übernehmen.»
    Andres verzog das Gesicht. «Ich bin der zweite Sohn. Mein Bruder wird sie kriegen.»
    Gustelies nickte. «Und deshalb wolltest du auch die Adele heiraten, nicht wahr? Wegen der Werkstatt. Weil ein Mann eine eigene Werkstatt braucht, um eine Familie zu gründen und sich zu beweisen.»
    Andres verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. «So war es gedacht, aber dann ist sie mir weggelaufen, die Adele. Sogar nachgerannt bin ich ihr. Bis nach Mühlheim, wo eine Tante von ihr hockt, aber die hatte sie auch nicht gesehen.» Er knirschte mit den Zähnen, und Gustelies sah, wie eine Ader auf seiner Stirn anschwoll.
    «Sie hat dich betrogen mit einem anderen?», fragte sie verständnisvoll. «Es ist nicht zu fassen. Wie kann man ein Mannsbild wie dich, so kräftig und stattlich, einfach so stehenlassen?»
    Andres schluckte. «Seit der Prediger gekommen ist, hat sie keine Ruhe mehr gegeben. Ihr Vater würde mir seine Werkstatt niemals geben, hat sie gesagt. Wir würden wie die Bergknappen schuften müssen bei ihm. Ein Leben wäre das nicht.»
    «Und du hast ihr nicht geglaubt?»
    Andres drückte die Schultern zurück. «Ich bin ein Mann. Ihr selbst habt es gesagt. Sehe ich aus wie einer, der sich sagen lässt, was er zu tun und zu lassen hat? Die Adele, die war ja eh viel zu dünn für ein richtiges Weib. Gewollt habe ich sie eigentlich nicht. Nur die Werkstatt hat mich interessiert.»
    Gustelies sah, dass Andres log, aber sie hütete sich, in seiner Wunde zu bohren.
    «Und jetzt ist sie also weg, die Adele?», fragte sie.
    Andres nickte. «Seit drei Tagen. Und wenn sie noch wiederkommt, kann sie vor mir im Dreck rutschen, ich würde sie nicht mehr ansehen. Wer weiß, was sie getrieben hat, dort, wo sie war.»
    Gustelies tätschelte seinen Arm. «Recht hast du daran getan. Ein Weib muss gehorchen und darf sich keine Freiheiten herausnehmen. So hat der Herr die Welt nun einmal eingerichtet.»
    «Ihr sagt es», erwiderte Andres. «Was ist nun mit dem Blattgold für Eure Kirche?»
    Gustelies winkte ab. «Das eilt nicht. Ich werde ein anderes Mal wiederkommen. Wenn’s besser passt. Das wäre doch auch in deinem Sinne, nicht wahr?»
    Sie nickte dem jungen Mann zu, kicherte heimlich über seine aufgerissenen Kuhaugen, in denen zu lesen war, dass er sich fühlte, als hätte man ihn übers Ohr gehauen, dann

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