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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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verließ Gustelies die Goldschlägergasse.
    Sie hatte viel erfahren, heute Morgen. Zunächst wusste sie, dass die Adele verschwunden war. Allerdings war noch offen, ob sie wirklich das Mädchen im Grab gewesen war. Gustelies konnte sich zwar genau an das Gesicht erinnern, und sie hatte auch die Ähnlichkeit mit Henn gesehen, aber sicher war sie sich keinesfalls. Wenn es doch nur ein Trugbild gewesen war? Wenn die Adele morgen putzmunter wieder hier erschien?
    Trotzdem war sie zufrieden mit sich. Ich werde herausfinden, was mit der Adele passiert ist, beschloss sie. Ich werde allen zeigen, dass in mir mehr steckt als eine Pfarrhausköchin. Und dann, wenn ich euch allen bewiesen habe, wie gut ich zu ermitteln weiß, werdet ihr mir mit mehr Achtung entgegentreten. Ich bin kein Küchengegenstand, ich bin ein Mensch. Selbst wenn ich einem Trugbild aufgesessen bin.
    Grimmig entschlossen setzte sie ihren Weg fort und gelangte wieder auf den Römer. Bis zum Mittagsläuten, dem Angelusläuten, war nicht mehr viel Zeit.
    Der Römerberg war außergewöhnlich belebt. Eine ganze Reihe von Leuten hatte sich bereits eingefunden und wartete in der Nähe des Brunnens auf den Prediger.
    Ein paar Mägde standen zusammen und kicherten, vier Waschfrauen hatten die Körbe zu ihren Füßen abgestellt und hielten die rauen, rissigen Hände in die Sonne. Zwei Patrizierinnen standen etwas abseits unter Sonnenschirmen und betrachteten hochnäsig die Mägde. Einige Fischweiber stritten laut und warfen sich deftige Schmähworte an den Kopf. Auf der anderen Seite des Brunnens erblickte Gustelies die Handwerkerinnen. Sie erkannte die Posamentiererin Gundel, die Seifensiederin Lilo mit ihrem Säugling, das Mädchen aus der Ratsschänke und sogar Ricka, die Frau vom Ochsenwirt.
    Gerade schloss auch Jutta Hinterer ihre Geldwechselstube ab und gesellte sich zu den Wartenden, als der Prediger aus einer kleinen Gasse zwischen dem Rathaus und dem Haus der Alten Limpurg gemessenen Schrittes auf den Römerberg spazierte. Ein Raunen ging durch die Menge. Eine Magd kniff sich rasch in die Wangen und biss auf ihre Lippen, um die Blässe in ihrem Gesicht zu vertreiben. Eine andere fuhr sich mit den Fingern noch ordnend durch das Haar, und die Patrizierinnen klebten sich ein hoheitsvolles Lächeln ins Gesicht. Wieder fiel Gustelies auf, dass die Zuhörerschaft zumeist aus Frauen bestand. Frauen, die mit glänzenden Augen und bebendem Busen auf den Mann blickten, der lächelnd und mit ausgebreiteten Armen den Römer hinauf zum Brunnen schritt. Die beiden Stadtbüttel, die am Rathauseingang Wache hielten, verzogen keine Miene, aber ein paar Auflader vom Hafen hatten sich neben die Fischweiber gestellt, und zwei Lehrjungen mit großen Bäckermützen hielten sich in der Nähe ihrer Meisterin auf.
    An den Fersen des Predigers klebte das große, schwere Weib mit den zottigen Haaren und schleppte einen Packen Flugzettel. Endlich hatte Gustelies einmal Zeit und Gelegenheit, den Prediger ganz genau anzuschauen. Er wirkte so frisch, als wäre er gerade einem Bad im Main entstiegen. Sein schulterlanges Haar war im Nacken mit einem Band zusammengefasst und glänzte in der Sonne. Er trug ein blütenweißes Hemd, das an der Brust nachlässig geschnürt war und kleine, verstohlene Einblicke auf die Brusthaare ermöglichte. Zu dem weißen Hemd trug er eine Hose aus gegerbtem Ziegenleder, die enger saß, als Gustelies es für schicklich hielt. Darunter war der Mann barfuß und zeigte seine schmalen, geraden Füße mit hellen Nägeln, die nicht durch Schmutzränder verunstaltet waren. Gustelies sah, wie die meisten Frauen den Kopf schief legten. Einige zwirbelten sich in den Haaren herum, die Patrizierin leckte sich die Lippen, und beinahe jede bemühte sich, das Kreuz durchzudrücken und die Brüste vorzustrecken.
    Gustelies betrachtete die Patrizierinnen, die leise miteinander tuschelten. War die eine nicht die Frau des Schultheißen? Stand da nicht die Frau von Elckershausen und kicherte mit ihrer Freundin? Gustelies kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Tatsächlich! Und hinter ihr stand sogar die Amme mit dem Kind im Arm. Eine weitere Patrizierin war hinzugekommen, gesellte sich zu ihren Standesgenossinnen. Sofort fuhren die Köpfe zusammen, aufgeregtes Gelächter brach aus, das gleich hinter vorgehaltener Hand erstickt wurde. Eine Patrizierin lachte nämlich nicht ungeniert, und schon gar nicht in der Öffentlichkeit.
    Weiter vorn erkannte Gustelies Mutter

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