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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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für sie ausgewählt hatte. Es heißt, sie hätte einen heimlichen Liebsten gehabt.»
    «Einen heimlichen Liebsten?»
    «Ja.»
    «Und weißt du auch, wer das ist?»
    «Niemand weiß das. Keiner hat ihn je gesehen.»
    «Und woher weißt du dann, dass es ihn tatsächlich gegeben hat?»
    Die Magd lächelte. «Was soll man denken, wenn eine plötzlich bei der Arbeit singt und sich Samtbänder ins Haar flicht? Was ist los mit einer, die plötzlich auf die Scherze der Handwerker eingeht? Mit einer, die hübscher wird von Tag zu Tag?»
    «Du hast recht. Alles spricht dafür, dass sie verliebt war. Kann es nicht der Mann sein, den ihr Vater für sie ausgesucht hat?»
    «Der Andres?» Die Magd lachte auf. «Nie im Leben. Der Andres ist dumm und grob. Den würde keine jemals freiwillig nehmen. Er soll der Magd schon einmal ein blaues Auge geschlagen haben. Und überall hat er herumerzählt, dass er die Adele nur nimmt, weil er mit der Hochzeit zu einer eigenen Werkstatt kommt. Ansonsten, hat er getönt, wäre sie ihm viel zu dürr. Nicht einmal eine kräftige Suppe kann man aus der kochen, hat er gesagt und auch ansonsten kein gutes Haar an ihr gelassen.»
    «Und trotzdem wollte der Henn sie mit ihm verheiraten?»
    «Der Henn ist kein schlechter Kerl. Er hat die Adele schon recht lieb gehabt. Aber seit seine Frau vor acht Jahren verstorben ist, da wusste er nicht mehr so recht, wie er mit einer Tochter umgehen soll. Er dachte wohl, der Andres wäre das Beste für die Adele. Aber jetzt muss ich weiter. Wenn mich die Meisterin hier sieht, gibt es was mit dem Kochlöffel.»
    «Ich danke dir schön!», rief Gustelies ihr nach und ging dann langsam um das Goldschlägerhaus herum. Sie drängelte sich am Rande des Abfallgrabens, der sich zwischen zwei Häusern entlangzog, nach hinten und gab acht, dass sie mit den Schuhen nicht im Dreck hängen blieb. Ein paar Hühner scharrten vor ihren Füßen herum, eine dürre Ziege meckerte und rannte davon. Endlich war Gustelies hinter dem Haus angelangt.
    Auch hier waren die hölzernen Läden vorgeschlagen. Das Gärtchen hinter dem Haus war ungepflegt, die Blumen hingen welk auf die Wege herab, die Sommeräpfel fielen vom Baum, und niemand hatte sie in den letzten Tagen aufgelesen. Die Wege waren nicht gefegt, die Kräuter nicht gegossen, und die Holzstangen, zwischen denen sonst die Wäsche trocknete, lagen auf dem Boden.
    Langsam und mit pochendem Herzen näherte sich Gustelies der Küchentür und klopfte, obwohl sie einen Spaltbreit offen stand. Wieder rührte sich nichts im Hause. Sie drückte die Tür auf. Stickige Luft schlug ihr entgegen, sodass Gustelies zurückprallte. Auf dem Tisch standen mehrere Schalen mit verkrusteten Grützeresten. Ein Käsestück mit trockenen Rändern lag dazwischen, an einem Kanten Brot nagte eine Maus. Es roch, als wäre seit Wochen nicht mehr gelüftet worden. Vorsichtig betrat Gustelies die Küche. Sie betrachtete die schmutzigen Fliesen, den kalten Herd und die leeren Wassereimer. Hier fehlt eine Frau im Haus, dachte sie. Dann lauschte sie in die Stille des Hauses.
    «Henn?», rief sie. «Henn? Bist du da? Wo steckst du?»
    Ihr war, als kämen aus dem Nachbarraum ein paar Laute. Gustelies durchquerte die Küche, öffnete die Tür zur Werkstatt, und auch hier schlug ihr Gestank entgegen. Dieses Mal roch es nach kaltem Rauch, nach Staub und Schweiß. Die Läden waren zugeschlagen, nur durch zwei Ritzen drang ein wenig Tageslicht. In den Lichtstreifen tanzte der Staub.
    «Henn? Bist du hier, Henn?»
    Ein Brummen ertönte. Es kam aus dem hinteren Teil der Werkstatt. Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, damit sie sich nicht an den herumliegenden Granitblöcken stieß, ging Gustelies näher. An der hinteren Wand der Werkstatt, direkt auf dem Boden, saß Henn Goldschlag und hatte sein Gesicht von den spärlichen Lichtstrahlen abgewandt. Gustelies hockte sich neben ihn, berührte vorsichtig seine Hand. «Henn, was tust du hier auf dem Boden?», fragte sie.
    «Was?» Der Goldschläger klang verstört. «Ist es Morgen oder Mittag oder Abend?», fragte er.
    «Es ist Nachmittag», erklärte Gustelies.
    Henn erwiderte nichts. Also stand Gustelies auf und öffnete die Läden und die Fenster. Sonnenlicht flutete herein, der Lärm der Gasse war hörbar.
    «Was tut Ihr da?», fragte der Goldschläger und bedeckte mit den Händen sein Gesicht.
    «Ich lasse das Leben ins Haus. Oder willst du etwa in der Ecke hocken bleiben, bis der Sensenmann dich

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