Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
werden sehen», verhieß Gustelies vage. «Aber jetzt, da wir am Friedhof angelangt sind, sage mir, was wir hier wollen.»
Blettner schritt die Reihe der Grüfte ab, blieb schließlich vor der Grube stehen, in der man die tote Bäckerin gefunden hatte. «Sieh dich genau um. Sieh dir jede Einzelheit an. Dann sage mir, ob dir etwas auffällt.»
Gustelies zog die Stirne kraus. «Was soll mir auffallen?», fragte sie. «Wir waren doch gerade erst hier.»
Blettner nickte. «Aber du warst es, die die ganze Zeit darauf gedrungen hat, dass es ein Mord war. Und was braucht man für einen Mord?»
«Ein Opfer natürlich.» Gustelies warf einen Seitenblick zum Schreiber, aber der notierte säuberlich jedes Wort, das fiel. «Sag mal, was stellst du mir denn für seltsame Fragen? Was soll das Ganze?»
Blettner ließ sich nicht beirren. «Was braucht man noch zu einem Mord außer einem Opfer?»
Gustelies verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Gesicht zeigte deutlich, was sie von den Fragemethoden des Richters hielt. «Einen Mörder. Was denn sonst. Du fragst wie ein kleines Kind.»
«Ja. Manchmal muss man das wohl tun. Und wie ist der Mörder hierhergekommen?»
«Er wird nicht geflogen sein.» Gustelies wurde es langsam zu dumm, aber ihr Schwiegersohn ließ einfach nicht locker.
«Richtig. Und wenn er nicht geflogen ist, was muss es dann am Grab geben?»
Mit einem Schlag fiel bei Gustelies der Groschen. Sie hob den Zeigefinger, strahlte über das ganze Gesicht und sagte: «Fußspuren. Jawohl. Das ist es. Es muss Fußspuren geben. Zu dumm nur, dass hernach noch alle möglichen Leute hier herumgetrampelt sind.»
«Tja, da hast du recht.»
«Da waren Jutta und ich. Wir haben kleine Füße. Außer uns waren noch die Büttel, der Totengräber, der Schreiber, der Leichenbeschauer, du selbst und Krafft von Elckershausen anwesend. Das sind acht Leute. Es müssten also neun, nein, zehn – falls die Tote hierher gelaufen ist – Fußabdrücke zu finden sein.»
Sie bückte sich und suchte mit ihren Blicken den Boden ab. «Da!» Sie deutete auf zwei flache Furchen, die sich parallel über den Boden zogen. «Siehst du das?», fragte sie.
Blettner kniete sich in den Dreck und winkte den Schreiber heran. «Wie sieht das aus?», wollte er von ihm wissen.
«Als hätte jemand jemand anderen gezogen.»
«Genau.» Der Richter erhob sich und klopfte sich die Erdkrumen von den Knien. «Das heißt also, dass die Luise Bäckerin nicht selbst hierhergelaufen sein kann. Sie ist geschleift worden.»
«Und das wiederum könnte bedeuten, dass der Fundort nicht der Ort ist, an dem die Bäckerin gestorben ist», fügte Gustelies hinzu. «Ich glaube allerdings nicht», sie wandte sich an den Richter, «dass sie geschleift wurde. Das hätte der Leichenbeschauer an ihren Fersen erkannt – Abschürfungen, Schmutz und dergleichen. Eher vermute ich, dass jemand sie mit einem kleinen Karren oder so etwas gebracht hat.»
Blettner nickte. «Ja. Es wäre auch zu auffällig, eine Leiche einfach so durch die halbe Stadt zu schleifen.»
«Wir werden den Totengräber noch einmal befragen. Vielleicht hat der etwas gesehen.» Energischen Schrittes suchte Gustelies die Gruft auf, in der der Totengräber gemeinhin sein Mittagsschläfchen zu halten pflegte.
Sie klatschte so laut in die Hände, dass der Mann zusammenfuhr wie bei einem Gewitterblitz.
«Jesus. Pfarrhaushälterin. Der Schlagfluss hätte mich treffen können bei dem Schreck. Tot hätte ich sein können.»
«Du lebst aber noch», stellte Gustelies ungerührt fest. «Sag, hast du an dem Tag, an dem die Tote mit der Rose gefunden wurde, einen Karren hier auf dem Friedhof bemerkt?»
Der Totengräber presste seine Zeigefinger rechts und links gegen die Stirn. «Ich weiß nicht, ich weiß es nicht», lamentierte er. «Das ist schon so lange her. Ich bin nicht mehr der Jüngste, versteht Ihr? Dazu diese Hitze. Mir ist ganz schwummerig im Kopf.»
Blettner trat hinzu. «Wenn ich dir in der Ratsschänke eine Kanne Wein spendiere, würde dir dann etwas einfallen?»
Der Mann wiegte den Kopf. «Hier kommen immer mal Karren vorüber», erklärte er dann. «Einige Bauern aus Bonames, die auf den Markt wollen, fahren direkt über den Gottesacker. Es ist eine Abkürzung.»
«Und aus der anderen Richtung?», wollte Blettner wissen.
«Da fahren sie am Abend zurück in ihr Dorf.»
«War jemand darunter, den du noch nie gesehen hast?»
Der Torwächter schnalzte mit der Zunge. «In letzter Zeit waren ein
Weitere Kostenlose Bücher