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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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holt?»
    «Ach!» Der Goldschläger winkte traurig ab. «Für mich ist die Erde nur noch ein Jammertal …»
    «… und das Leben ein Graus», unterbrach ihn Gustelies. «Den Spruch kenne ich. Mein Bruder sagt ihn jeden Tag. Und nun ist noch einer hier in der Stadt, der behauptet, die Erde wäre in Frevlerhand. Alles Sprüche. Das Leben ist nun einmal hart. Zumindest dann und wann.»
    «Wer seid Ihr eigentlich? Und wie seid Ihr in mein Haus gekommen?»
    Gustelies trat vom Fenster weg und wandte sich Henn zu. «Erkennst du mich denn gar nicht?»
    Einen Augenblick war es so still, dass Gustelies meinte, den Staub knistern zu hören. Dann fragte der Goldschläger leise: «Gustelies? Bist du das?»
    Sie nickte.
    «Aber was machst du hier?»
    «Ich bin wegen Adele gekommen.»
    Der Goldschläger richtete sich ein wenig auf. «Wegen Adele? Was ist mit ihr? Nun sage schon, weißt du etwas?»
    «Am besten, wir gehen in die Küche, und ich sehe mal, ob ich dir etwas zu essen und zu trinken bereiten kann. Das wird dich wieder auf die Beine bringen. Komm, steh auf. Mach schon. Die Welt wird nicht besser, wenn man sie aussperrt.»
    Sie reichte dem Goldschläger die Hand, und der ergriff sie und rappelte sich mühsam hoch.
    «Puhhh!», machte Gustelies. «Du riechst ja, als hättest du sämtliche Abtritte der Stadt gereinigt. Wann hast du dich zum letzten Mal gewaschen?»
    Henn Goldschlag schwieg schuldbewusst.
    «Und wann hast du zum letzten Mal gegessen?»
    Der Mann zuckte mit den Schultern.
    Gustelies seufzte, dann krempelte sie sich die Ärmel hoch.
    «Zuerst gehst du einmal Wasser holen. Vier Eimer mindestens. Ich zünde unterdessen das Herdfeuer an.»
    Ohne zu widersprechen, fügte sich Henn Goldschlag Gustelies’ Anweisungen. Er brachte Wasser vom Brunnen und noch ein paar Holzscheite in die Küche. Gustelies ließ das Herdfeuer hoch auflodern, kochte eine Grütze, räumte das schmutzige Geschirr in den Abwasch, scheuerte den Tisch, warf den Käse und den Brotkanten in den Abfall, dann stellte sie dem Goldschläger eine frische Buchweizengrütze, zwar mit Wasser statt Milch gekocht, aber mit einem großen Löffel Honig gesüßt, auf den Tisch.
    «Iss!», befahl sie.
    «Was ist mit Adele?»
    «Das sage ich dir, wenn du aufgegessen hast.»
    Als die Schale leer war, ließ sich der Goldschläger nicht länger beschwichtigen. «Jetzt rede, Gustelies.»
    Sie seufzte. Dann sagte sie leise und fasste dabei über den Tisch nach Henns Hand: «Ich glaube, Adele ist tot. Mit eigenen Augen habe ich sie in einem Grab liegen sehen. Auf dem Gruftgelände der Familie von Zehlen. Direkt auf unserem Friedhof. Sie trug ein weißes Kleid, ganz so, als wollte sie Hochzeit machen.»
    «Sie ist tot? Adele ist tot?»
    Gustelies nickte traurig. «Ja, das ist sie. Ich selbst habe sie gefunden. Friedlich sah sie aus. Friedlich und sehr jung und sehr schön.»
    «Sie ist wirklich tot?», wiederholte der Goldschläger ungläubig.
    Gustelies nickte stumm, und dann sah sie, wie das Begreifen Henns Gesicht schmerzvoll verzog. Er ließ den Kopf auf die frischgescheuerte Tischplatte sinken. Seine Schultern hoben und senkten sich im Rhythmus wilder Schluchzer. Zu gern hätte Gustelies seinen Kopf an ihre Brust gezogen und ihn getröstet und gewiegt, bis die erste heftige Pein abgeklungen war. Aber der Mann strahlte eine solche Einsamkeit aus, dass sie es nicht wagte, ihm zu nahe zu kommen. Also seufzte sie nur und machte sich daran, auch in der Küche die Fenster zu öffnen. Dann wusch sie das Geschirr, schrubbte den Boden, wischte Staub, und immer wieder blickte sie zu Henn hinüber, dessen Oberkörper wie ein gefällter Baum auf dem Tisch lag. Als nichts mehr zu tun war und das Wasser im Kessel kochte, trat sie zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. «Komm!», sagte sie leise. «Ich richte dir ein Bad. Und dann überlegen wir gemeinsam, was jetzt zu tun ist.»
    Willenlos wie ein Kind ließ es der Mann geschehen, dass Gustelies eine Zinkwanne mit Wasser füllte, ihm das Hemd über den Kopf zog und die Hosenbänder löste. Henn war noch immer so in seinem Schmerz gefangen, dass er keine Scham kannte und sich auch nicht darüber wunderte, dass Gustelies da war, sein Heim putzte und seine Sachen sogleich in einem Eimer mit Seifenwasser einweichte.

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    Kapitel 23
    W as tut er da?» Pater Nau saß neben Bruder Göck auf der Bank im Pfarrgarten und sah zu, wie der Novize Alter mit einem Holzhammer auf die Dornenzweige einschlug.

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