Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
weideten sich daran. Der Retter hatte es selbst gesehen, hatte gesehen, wie die Augen der Mägde zu glänzen begannen, als der Prediger ihnen berichtete, dass der Teufel drei Schwänze hatte. Liederliche Weiber, hatte er da gedacht. Wie dumm sie doch waren, diese armen Frauen. Wussten sie nicht, dass das Begehren die schlimmste aller Sünden war? Wussten sie nicht, dass das Begehren kein Geschenk, sondern eine Strafe Gottes war? Wie viele waren schon zugrunde gegangen wegen des Begehrens. Es tat ihm weh, die Weiber so zu sehen.
Besonders die eine da, die mit den traurigen Augen. Seit Tagen schon beobachtete er sie. Noch am Sonntag war sie mit ihrem Liebsten Arm in Arm am Mainufer entlanggeschlendert. Nun war sie allein und verlassen, aber ihr Schoß, der wollte und wollte das nicht begreifen. Er würde brennen, der lüsterne Schoß, würde die Gedanken des Mädchens bündeln, würde ihre Lippen rot und feucht, ihren Gang wiegend und ihre Augen glänzend sein lassen. Eine leichte Beute für jeden, der sich darauf verstand. Sie tat ihm leid, tat ihm so unendlich leid in ihrer Bedürftigkeit. Sie würde die Hölle schon so bald am eigenen Leibe spüren, und sie wusste es nicht. Noch waren ihre Wangen rosig, das Haar seidenweich und glatt. Bald würde sie vom Fleisch fallen, würde mager werden mit nach unten gezogenen Mundwinkeln. Die Kleider würden ihr am Leib schlottern, und das Feuer in den Lenden würde ihr alle Kraft rauben. Sie würde lieben und begehren, allein vor sich hin, und es gäbe keinen, der ihren Durst stillen konnte. Ja, sie würde verdursten. Eingehen und welken. Die schönste aller Blumen würde verwelken, bevor der Herbst kam.
Nur er, der Retter, wusste, dass der Liebste niemals zurückkommen würde. Sie war allein. Und sie würde allein bleiben mit dem Brennen in ihrem Schoß und mit ihrer Welkheit. Das hatte sie nicht verdient, fand der Retter. Sie war jung, war hübsch, hatte bisher ihre Tugend geschützt. Sie sollte ewig jung und schön bleiben. Für immer. Aber nun war ihr Schoß entbrannt, nun gab es kein Zurück mehr. Nur ihn gab es noch. Den Retter. Ihren Retter. Den, der sie vor der Hölle auf Erden bewahren würde. Ja. Er würde es tun. Es musste sein. Er tat es zu ihrem Besten.
Die Menge rief den Namen des Predigers. Der Retter schüttelte sich noch einmal, klopfte den Staub von seiner Kleidung und trat aus seinem Versteck hervor.
Nachdem der Büttel Gustelies bei der Bewachung der Grube abgelöst hatte, wollte Gustelies unbedingt allein sein. Sie hatte den Mann auf die Fußabdrücke hingewiesen, und sie würde später dem Richter Meldung davon machen, aber jetzt hatte sie anderes zu tun. Schnellen Schrittes ging sie in die Goldschlägergasse, doch je näher sie dem Haus von Henn Goldschlag kam, umso verhaltener wurden ihre Schritte. Würde er sie erkennen? Würde er sich an sie erinnern? An den Tanz unter dem Maienbaum? Oder hatte er sie komplett aus seinem Gedächtnis gestrichen? Ob er wohl freundlich war? Oder brannte die Kränkung aus der Jugend noch immer in seiner Seele?
Und ich?, fragte sich Gustelies. Was ist mit mir? Ob er mir noch immer gefällt? Oder ist es besser, ihn als schöne Erinnerung im Gedächtnis zu behalten?
Sie blieb stehen, steckte das Haar ordentlich unter die Haube, strich sich über ihr Kleid, kniff sich sogar in die Wangen und biss sich auf die Lippen. Dann atmete sie einmal ganz tief durch. Das Haus sah heute ebenso verlassen aus wie einige Tage zuvor. Die Holzläden waren geschlossen, keine Stimme, kein Fluch, kein Scherz drang durch die dicken Wände.
Behutsam betätigte sie den Klopfer und lauschte. Innen blieb alles still. Jetzt hämmerte sie mit den Fäusten gegen die Tür, aber noch immer rührte sich nichts. Eine Magd blieb stehen und sah ihr zu, dann sagte sie: «Gebt Euch keine Mühe, der Henn macht nicht auf.»
Gustelies fuhr herum. «Warum nicht? Ist er krank?»
Die Magd zuckte mit den Schultern. «Krank? Ist man krank, wenn man um jemanden trauert?»
«Ja. Vielleicht. Das Herz tut weh. Ein richtiger Schmerz ist das. Und man fühlt sich schlecht.»
«Dann ist der Henn krank. Sehr krank sogar, wenn Ihr mich fragt.»
«Um wen trauert er denn?»
«Um Adele, seine Tochter. Sie ist verschwunden, und der Henn gibt sich wohl die Schuld daran. Er hat sie aus dem Hause gejagt.»
Gustelies drehte den Kopf ein wenig. «Warum denn das? War sie schwanger?»
Die Magd schüttelte den Kopf. «Nein, sie wollte nur nicht den heiraten, den ihr Vater
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