Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
vor und forderte ihn auf, neben Jutta Hinterer Platz zu nehmen.
Die Geldwechslerin betrachtete den jungen Mann mit Wohlgefallen. Es fehlt noch, dass sie sich wieder einmal die Lippen leckt, dachte Gustelies, als sie das sah.
Der Novize bemerkte ihren Blick. «Bitte, nennt mich doch alle Alter. So ist mein Name, den ich auch im Ordensleben beibehalten werde.»
Jutta starrte den Jungen noch immer an. «Sagt, habe ich Euch nicht schon einmal gesehen?», fragte sie.
Erschrocken blickte der Novize zu Boden und senkte den Blick. «Nein, das kann nicht sein», stammelte er. «Ich bin im Klosterhof, jeden Tag, jede Nacht. Es gibt viel zu tun dort.»
«Trotzdem!», beharrte Jutta und beäugte den jungen Mann weiter sehr genau, ohne sich um dessen Verlegenheit zu kümmern. «Ich schwöre, ich kenne Euch. Seht mich einmal direkt an.»
Nur zögernd und über und über mit Schamesröte angestrichen, blickte Alter auf.
Jutta ließ ihre Blicke so intensiv über sein Gesicht wandern, als wollte sie ihn malen. «Da, der Amorbogen. Wie bei unserem Prediger. Und die Glutkirschenaugen. Sagt, seid Ihr mit dem Mann verwandt? Oder seid Ihr es gar selbst?»
Auch Gustelies unterzog den Novizen nun einer genaueren Betrachtung. Jutta hatte recht. Die Augen, die Nase, der Mund, ja, das ganze Gesicht ähnelte dem des Predigers. Ob er es gar selbst war? Sie schüttelte in Gedanken den Kopf. Das konnte nicht sein. Wo sollte denn der Novize das garstige Weib versteckt haben? Etwa im Antoniterhof? Unmöglich. Trotzdem! Irgendetwas an dem jungen Mann machte Gustelies nachdenklich. Und was genau das war, das würde sie herausfinden.
Der Novize schluckte, und seine Röte vertiefte sich noch. Er setzte zu einer Antwort an, aber Gustelies ließ ihn nicht zu Wort kommen. «Nun esst und trinkt erst einmal», sagte sie und schob ihm Teller und Becher hin. Und zu Jutta gewandt: «Der arme junge Mensch, du machst ihn ganz verlegen. Wie kann er der Prediger sein, wenn er doch ein Antoniter ist?»
«Ihr kommt wie gerufen», erklärte nun Hella, ebenfalls bemüht, den jungen Mann aus seiner peinlichen Lage zu retten. «Die beiden Herren der Geistlichkeit sind gerade im Begriff, uns die Hölle zu erklären. Vielleicht könnt Ihr Euren Teil dazu beitragen.»
«Halt!», beschwerte sich Bruder Göck, der schon jetzt dreinsah, als hätte ihn die Eifersucht auf den jüngeren Antoniter gepackt. «Ich war mit meinen Ausführungen noch nicht fertig.»
«Du sagtest gerade», fiel ihm der Pater ins Wort, «die Hölle wäre der Ort ewiger Pein, der Ort des Untergangs, der ewigen Züchtigung, des Hinausgestoßenseins in die Finsternis, wo Heulen und Zähneknirschen auf ewig sein werden.»
Bruder Göck hob den Finger. «Damit nicht genug! Mag es auf der Erde noch so manche Freude geben, im Pfuhl, in dem Schwefel und Feuer brennt, gibt es für einen Verdammten nichts mehr, das ihn erfreuen könnte. Die Höllenbewohner sind grausig und böse. Es gibt niemand, bei dem man sich beschweren kann. Der Leib ist von unsäglicher Qual geschüttelt. Die schlimmste Höllenpein aber ist die Erinnerung. Die Erinnerung an eine Zeit, zu der es noch Buße und Umkehr gegeben hätte und die nun unwiederbringlich verloren ist.»
Bruder Göck brauchte nach dieser Ansprache einen Schluck Wein. Pater Nau nickte und sagte dann: «Obwohl, wenn ich es recht bedenke, auch das Leben ein Graus und die Erde ein Jammertal sein kann.»
Gustelies winkte ab. Sie brachte die Pfanne mit dem Weckewerk und stellte sie mitten auf den Tisch. Daneben hatte sie schon mehrere Tonkrüge mit eingelegten Gurken und Roter Bete mit Zwiebeln aufgereiht. In einem Korb duftete ein frischgebackener Brotlaib. Und um den Tisch saßen ihre Lieben, während in einem Wäschekorb, der mit Schaffellen ausgekleidet war, die Säuglinge schliefen.
Alles war so, wie es sein sollte. Alles war so, wie Gustelies es sich immer gewünscht hatte. Und nichts war so, wie es sein sollte, wenn draußen jemand umherging und den Menschen die Hölle bereiten wollte. Ganz gleich, ob als Prediger oder als Mörder.
«Kann man also in der Hölle noch bestraft werden oder nicht?», wiederholte sie mit einem Seufzen ihre Frage.
Die beiden Geistlichen sahen sich ratlos an. «Was meinst du, Bruder?», fragte Pater Nau.
«Nun», erwiderte Göck. «Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Zunächst müssten wir wahrhaftig erst einmal den Begriff der Hölle einer Definition unterziehen. Desgleichen den Begriff der Strafe.»
«Ihr
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