Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Gustelies haute ihrem Schwiegersohn auf die Schulter: «Tu du doch etwas dagegen!»
Aufgebracht brüllten alle am Tisch durcheinander, sogar Jutta Hinterer, die bisher auf den Prediger nichts hatte kommen lassen. Auch Hella presste eine Hand auf ihr Herz und beteuerte, eine solche Unverschämtheit hätte sie noch nie gehört. Ketzerei wäre das, ganz eindeutig ein Fall für das Gericht der Stadt Frankfurt. Nur der Novize blieb stumm.
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Kapitel 30
S chafft mir den Ratsschatz her, Blettner. Alles andere ist unwichtig. In drei Wochen findet das große Hirschessen statt. Was habt Ihr bisher in diesem Fall unternommen?»
Krafft von Elckershausen hatte sich vor Blettners Schreibtisch aufgebaut und funkelte ihn wütend an.
Blettner stellte den Federkiel zurück ins Tintenfass. «Wir haben drei Morde in der Stadt. Alle begangen an jungen Frauen. Ich bin damit voll und ganz beschäftigt. Und außerdem ist ja ein Silberlöffel vom Schatz wieder aufgetaucht.»
«Ein Silberlöffel, dass ich nicht lache. Den ganzen Schatz will ich, brauche ich.» Der Schultheiß war so in Aufruhr, dass ihm die Haare zu Berge standen.
«Wie wäre es, Schultheiß, wenn Ihr zum Hirschessen Euer Familiensilber mitbringt? Ich bin sicher, das wird dem Erzbischof sehr schmeicheln. Was aber, denkt Ihr, wird geschehen, wenn er den Prediger vor den Fenstern des Römers rufen hört, Gott ist ein Massenmörder?»
«Was?» Krafft von Elckershausen ließ sich erschöpft auf einen gepolsterten Lehnstuhl sinken. Er legte eine Hand hinter sein Ohr und fragte: «Habe ich richtig gehört?»
Blettner seufzte. «Ja, leider. Gestern Abend erhielt ich diese Nachricht. Heute Morgen war ich schon in aller Herrgottsfrühe auf dem Markt. Dort haben die Frauen mir bestätigt, dass der Prediger das oder so etwas Ähnliches von sich gegeben hat. Und», Blettner hob den Finger und fuhr damit in der Luft herum, «das halte ich für viel gefährlicher als alles andere. Wenn das der Erzbischof erfährt, dann ist Frankfurt nicht nur seinen Status als Reichsstadt los, dann kann es uns sogar gehen wie weiland den Münsteranern, als die die Wiedertäufer in der Stadt hatten.»
Der Schultheiß griff sich an die Stirn, als hätte er urplötzlich rasende Kopfschmerzen bekommen. Der Schreck ließ ihn sogar kurz aufkeuchen. «Die Münsteraner Wiedertäufer. Herr im Himmel, verschone uns davor. Wollten die nicht das Reich Gottes auf Erden errichten?»
«Ja, das wollten die. Und wir haben hier jetzt einen, der die Hölle auf Erden verkündet und mit Küssen die Erlösung verspricht.» Verständnislos schüttelte der Richter den Kopf.
«Philipp.» Krafft von Elckershausen murmelte diesen Namen recht leise.
«Wie bitte?»
«Philipp von Hessen. Unser geliebter Landgraf. Der hat doch im letzten Jahr in dieser Sache vermittelt. Die Wiedertäufer durften in der Stadt bleiben, wenn die Kirchen und Klöster katholisch blieben.»
«Und jetzt hockt Philipp vor den Toren unserer Stadt. Ihr meint, das könnte miteinander zusammenhängen?»
«Ich habe keine Ahnung», gab Blettner zu. «Ich weiß nur, dass die in Münster jetzt die Vielweiberei haben.»
Wieder stöhnte der Schultheiß auf, als hätte ihn etwas direkt ins Herz getroffen. «Vielweiberei. Sind die denn ganz und gar wahnsinnig geworden? Mir reicht mein Weib schon. Wie kann ein Mann aus freien Stücken mit mehreren Frauen leben?» Er schüttelte sich, als brächte ihn allein die Vorstellung zum Schaudern. «O Gott, ich glaube, mir platzt gleich der Schädel.» Er massierte mit den Fingerspitzen seine Schläfen. «Blettner. Kümmert Euch darum. Schafft sie alle fort. Den Prediger, den Landgrafen, die Leichen, alles eben. Ich kann hier wirklich keine Störenfriedereien gebrauchen.»
«Aber, Schultheiß, wie soll ich denn das bewerkstelligen?» Der Richter war erschrocken aufgesprungen und sah seinen Vorgesetzten hilfesuchend an. «Mir fehlt es an Leuten, mir fehlt es schlicht an allem.»
«Ist mir egal, wie Ihr das macht. Hauptsache, Ihr macht es bald. Ich muss mich jetzt hinlegen.»
Mit diesen Worten verließ der Schultheiß die Amtsstube des Richters.
Blettner seufzte, als sich die Tür hinter von Elckershausen schloss. «Der Ratsschatz ist wahrhaftig mein kleinstes Problem. Die Frage, die sich mir am drängendsten stellt, lautet: Wer bringt in dieser Stadt Frauen um?»
Er nahm sich ein Blatt Papier und wollte gerade mit seinen diesbezüglichen Überlegungen anfangen, als ein Büttel mit einem
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