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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wisst es also auch nicht», stellte Jutta Hinterer fest und nahm sich eine Scheibe vom Weckewerk. «Mmmm, lecker. Hast du neben dem Majoran auch Thymian mit an die Wurstmasse gemacht?»
    Gustelies nickte. Dann aber ergriff der junge Novize das Wort. «Ihr Herrschaften, erlaubt Ihr, dass auch ich meinen Beitrag zur Debatte gebe?»
    Bruder Göck und Pater Nau sahen sich an, dann nickten sie. «Nur immer zu, junger Mann. Jede Meinung ist uns hier willkommen.»
    «Augenblick!» Richter Blettner hob die Hand. «Weil wir gerade von Himmel und Hölle reden. Der Leichenbeschauer hat mir heute einen ganz großartigen Witz erzählt. Also: Die Mauer zwischen Himmel und Hölle ist beschädigt, und der Teufel schickt einen seiner Höllengehilfen mit einer Botschaft hinaus zum lieben Gott. Die Botschaft lautet: Wir haben hier unten im Fegefeuer viele Richter. Die sagen, Ihr müsst den Schaden an der Mauer bezahlen. Nach einer Weile kommt die Antwort vom Himmel. Wir werden zahlen, lautet sie. Auch wenn wir bei uns hier oben keinen Richter finden konnten.»
    Blettner lachte und haute sich auf die Schenkel. «Habt Ihr verstanden?», kicherte er und schaute sich verwundert um, als er bemerkte, dass er der Einzige war, der lachte. «Kein Richter im Himmel, alle in der Hölle, hihihi …»
    Er verstummte abrupt, dann nickte er dem Novizen zu. «Entschuldigt, dass ich Euch unterbrochen habe. Sprecht weiter.»
    «Zuerst stellt sich die Frage, wo genau sich die Hölle eigentlich befindet. Ich war in Jerusalem, der Heiligen Stadt. Vor ihren Toren, südlich, befindet sich ein Tal mit dem Namen Ge-Ben-Hinnom. In der alten Zeit diente dieses Tal als Müllgraben der Heiligen Stadt. Jeder warf seinen Abfall dort hinein. Doch nicht nur den Abfall, sondern auch jene, die an Seuchen gestorben waren oder die hingerichtet wurden. Anschließend steckte man das Tal in Flammen, um so Platz für neuen Abfall zu schaffen.»
    «Ist das wahr?» Jutta Hinterer machte große Augen. «Dann gibt es tatsächlich einen Platz auf der Erde, der den Eingang zur Hölle markiert?»
    Alter zuckte mit den Schultern. «Das weiß niemand so genau. Jedenfalls wurde dieses Tal nicht nur Hinnom genannt, sondern mit anderem Namen Gehenna. Daraus leitet sich unser Begriff ‹Hölle› ab. Judas Ischariot soll seine dreißig Silberlinge übrigens in diesem Tal angelegt haben. Denn schon zu Jesu Zeiten gab es in Gehenna keinen Müll mehr, sondern nur noch Beinhäuser.»
    Der Novize war fertig. Alle am Tisch schwiegen und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Schließlich fragte Hella: «Aber kann man nun in der Hölle noch weitere Sünden begehen, oder sind alle Sünden dort verwandelt in gute Dinge? Wird man bestraft oder belohnt?»
    Der Novize umklammerte seinen Becher mit beiden Händen. «Die einen sagen dies, die anderen sagen das», antwortete er leise. «Aus der Hölle ist noch niemand zurückgekehrt, der uns berichten könnte. Ich weiß nur, dass manch einer auf Erden schon Höllenqualen erleiden muss.»
    Er blickte auf. «Wie nennt man jemanden, der anderen Menschen das Leben raubt?», fragte er, und Gustelies kam es vor, als ob seine Stimme in diesem Augenblick leicht zitterte.
    «Mörder», riefen Jutta und Hella in einem Atemzug.
    «Wirklich?», fragte der Novize.
    «Natürlich», bestätigte Richter Blettner. «Das steht schwarz auf weiß geschrieben in der Peinlichen Halsgerichtsordnung unseres Kaisers Karl V ., welcher die große Gnade hatte, uns diese Gerichtsordnung im letzten Jahr zu schenken.»
    «Und ein Erlöser? Was oder wer ist das?»
    «Ein Erlöser, das weiß jedes Kind, ist unser Herr Jesus Christus. Es ist einer seiner Namen und bedeutet, dass er es ist, der uns von den Übeln erlöst. Steht schon in den Apostelgeschichten. Aber worauf wollt Ihr eigentlich hinaus?»
    Der Novize fuhr sich über das glattgeschabte Kinn. «Ich bin mir nicht sicher, aber mir schien, als hätte ich heute jemanden sagen hören, der Prediger habe verkündet, Gott wäre nichts anderes als ein Massenmörder.»
    Bruder Göck und Pater Nau schnappten nach Luft. «Das ist ja unerhört», schrie der eine. «Wie kannst du nur so etwas sagen?»
    Der Novize hob beide Hände. «Nicht ich bin es, der so spricht. Gott hat uns das Leben gegeben, und nur Gott kann es uns auch wieder nehmen. Die Frage ist nur, ob das Leben dann wahrlich ein Geschenk ist, denn Geschenke kann man nicht zurückverlangen. So, heißt es, habe der Prediger gesprochen.»
    «Blasphemie», schrie der andere, und

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