Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
danach hörte man das zufriedene Saugen des kleinen Fedor an der Mutterbrust, während Flora Honig vom Finger des Vaters lutschte.
Heinz betrachtete seine kleine Tochter. Und plötzlich überkam ihn die Liebe zu diesem Kind wie ein Gewitterguss. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er die winzigen Händchen, das winzige Näschen und die neugierig blickenden Augen betrachtete. Ich würde sterben, dachte er, wenn ich einen von euch, dich oder Fedor oder gar Hella verlieren würde. Und dann fielen ihm die Eltern der toten Mädchen ein, und zum ersten Mal verstand er deren unermessliches Leid.
Kurze Zeit später legte Hella die beiden Kleinen wieder in den mit Schaffellen ausgelegten Wäschekorb und begab sich zurück ins Bett. Heinz legte seinen Kopf auf ihre Brust und ließ sich von Hella das Haar kraulen. Eine Weile lagen sie still beieinander, dann begann Heinz zu sprechen. «Wir haben jetzt vier tote junge Frauen: die Adele, die Luise Bäckerin, das tote, noch namenlose Mädchen vom Gerechtigkeitsbrunnen und heute noch eine Tagelöhnertochter mit Namen Elfrun. Es muss etwas geben, was die Frauen miteinander verbindet, aber mir fällt beim besten Willen nicht ein, was das sein könnte. Außerdem musste ich den Prediger ins Verlies sperren lassen, weil der Schultheiß ihn für den Mörder hält. Ich gebe zu, dass einiges dafür spricht. Die große Frage aber lautet: Warum hat der Prediger oder sonst wer die Frauen getötet? Erst wenn wir darauf die Antwort haben, wissen wir mit Sicherheit, ob Einar von Beeden wahrhaftig der Schuldige ist.»
«Was sind das für Frauen?», fragte Hella. «Erzähle mir von ihnen.»
«Da ist zunächst einmal Adele. Ich habe veranlasst, nach ihrer Leiche zu suchen. Sie wird heute Nachmittag im Leichenschauhaus beim Henker sein. Sie ist siebzehn Jahre alt, war einem Mann versprochen, soll aber einen anderen Liebhaber gehabt haben. Sie war ein Vaterkind, und nun ist sie tot. Dann haben wir Luise Bäckerin. Sie ist fünfundzwanzig Jahre alt, verheiratet und hat eine kleine Tochter. Ihr Mann ist – auf meine Anweisung – mit dem Landgrafen Philipp mitgezogen und bisher nicht wiedergekommen. Über die Unbekannte weiß ich nichts. Und heute nun Elfrun, die einen Verlobten im Krieg hatte und einen Verehrer vor Ort. Sie soll, so sagte der Büttel, keine rote, sondern eine gelbe Rose in den Händen gehalten haben. Siehst du da Gemeinsamkeiten?»
«Hmm!» Hella stieß lautlos die Luft aus. «Zunächst einmal fällt mir auf, dass alle vier Frauen wohl Frankfurterinnen sind, wenn Elfrun auch keine Bürgerrechte haben dürfte. Die Bäckerin und das Tagelöhnermädchen haben zudem Männer, die im Krieg kämpfen. Das ist eine Gemeinsamkeit. Vielleicht wäre es wichtig, herauszufinden, ob Adeles heimlicher Liebster auch in den Türkenkrieg gezogen ist.»
«Nein, das glaube ich nicht», erklärte Blettner. «Das Mädelchen ist ja fast noch ein Kind, und der Türkenkrieg schon lange vorüber.»
«Da hast du zwar recht, mein Lieber, aber noch immer sind nicht alle, die vor Wien gekämpft haben, wieder zu Hause. Und die Ersten ziehen bereits wieder in die nächste Schlacht, mit dem Landgrafen Philipp.»
«Was willst du damit sagen?»
«Ich will damit sagen, dass die Frauen alle auf die eine oder andere Art bemannt waren, die Männer aber nicht da waren.»
Heinz konnte förmlich fühlen, dass dies ein wichtiger Hinweis war. In seinem Kopf begannen sich zahlreiche Rädchen zu drehen, aber keines brachte ihn auf einen weiteren Gedanken.
«Was heißt das? Was hat es zu bedeuten, dass es die Männer zwar gab, sie aber nicht anwesend waren?», fragte er.
«Noch weißt du nicht genau, ob das stimmt, denn du musst erst noch die Identität des Mädchens von gestern herausfinden. Wobei ich es ziemlich nachlässig von dir finde, dass du ihren Namen bis heute nicht kennst, obwohl halb Frankfurt sich gestern am Ort des Geschehens herumgedrückt hat.»
Heinz drehte leicht den Kopf. «Woher weißt du das denn?»
Hella schluckte und wurde über und über rot.
«Raus mit der Sprache! Aber hurtig!»
«Nun, ich war auch kurz da. Das Mädchen von nebenan hat auf die Säuglinge aufgepasst. Alle Welt redete von den Worten des Predigers. Das tote Mädchen kannte jedoch niemand.»
«Aha!» Richter Blettner war einen Augenblick lang beleidigt, weil seine Frau ihm gewisse Nachrichten vorenthalten hatte, aber ernsthaft böse hatte er Hella noch nie sein können.
«Und was denkst du, wer das Mädchen war?», fragte
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