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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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nicht so stark ausgeprägt. Dafür hatte sie stramme Waden, als wäre sie viel gelaufen. Ach, und an den Füßen hatte sie Frostbeulen. Das kommt, wenn man im Winter nicht das richtige Schuhwerk trägt.»
    «Du denkst also, sie war arm?»
    Eddi schüttelte den Kopf. «Über ihre Geldangelegenheiten weiß ich nichts. Ich weiß nur das, was ich dir gesagt habe. Dünn war sie übrigens auch. Viel zu dünn für eine Frau in ihrem Alter. Kinder hat sie noch keine geboren. Und ich weiß nicht einmal, ob sie ihre Mondblutung hatte, mager, wie sie war.»
    «Wenn du ihren Beruf raten müsstest, Leichenbeschauer, was würdest du dann sagen?»
    Eddi zog die Stirn in Falten. «Versuchst du gerade, mir etwas zu entlocken, das ich nicht sagen will? Ich kann mich nicht festlegen. Sie könnte alles Mögliche gewesen sein: die Tochter eines Adeligen, die von zu Hause durchgebrannt ist, eine Wundheilerin, eine entlaufene Nonne, eine Feuerspuckerin oder Tänzerin, was weiß denn ich?»
    «Was glaubst du, wie sie in das Heerlager gekommen ist?»
    «Du lässt wohl nie locker, was?» Eddi Metzel schüttelte den Kopf. «Warum verkauft eine Frau ihren Körper? Aus Geldmangel vielleicht? Aus Abenteuerlust? Vielleicht aber auch, weil sie dem Liebsten so nahe wie möglich sein will.»
     
    Eigentlich hatte Richter Blettner gehofft, sich auf die Vernehmung des Predigers noch ein bisschen vorbereiten zu können, doch die Sache im Leichenhaus des Henkers hatte länger gedauert, als er gedacht hatte. Die Sonne färbte sich schon langsam rot, als er endlich im Verlies eintraf.
    «Na, das sind ja komische Vögel, die beiden», erklärte der Wärter, als er Blettner sah. «Das Weib heult und rauft sich die Haare und schlägt sich an die Brust, und der Prediger feuert sie dabei durch die Wände noch an, statt sie zu beruhigen. Ob Ihr sie vielleicht zur Ruhe bringen könntet?»
    «Ich weiß es nicht. Schicke auf alle Fälle mal nach dem Henker. Er soll kommen und sich dabei ein bisschen beeilen.» Blettner ärgerte sich, dass er nicht gleich daran gedacht hatte, den Scharfrichter mitzunehmen.
    Er ließ sich zu den Kerkern führen und setzte sich dann auf den mitgebrachten Schemel dem Prediger gegenüber.
    Lange sprach Blettner kein Wort. Er wusste aus Erfahrung, dass diese Methode manchmal das Gegenüber zum Sprechen brachte. Aber der Mann hier war aus anderem Holze geschnitzt. Nach einer ganzen Weile fragte der Richter schließlich: «Sagt, liebt Ihr die Frauen?»
    «Die Frauen sind Geschöpfe, mit denen wir uns die Erde teilen. Ebenso wie mit den Pflanzen und mit den Tieren. Warum soll ich sie nicht lieben?»
    «Nun, ich nehme doch an, dass Ihr die Frauen höher anseht als die Pflanzen und die Tiere.»
    Der Prediger saß auf einem Bündel feuchten Strohs, das Hemd vorn zerrissen, die Haare zerzaust, und lächelte Blettner an. «Warum sollte ich die Frauen höher stellen als die Pflanzen und die Tiere? Habt Ihr jemals erlebt, dass eine Pflanze die andere betrügt? Haben die Tiere jemals zum Kriege aufgerufen?»
    «Dann stellt Ihr also die Menschen insgesamt unter die anderen Lebewesen?»
    «Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann.»
    «Ist auch gut.» Blettner rieb sich die Hände. «Ich bin schließlich nicht hier, um über die Ordnung der Natur zu sprechen. Wir haben vier tote Frauen in Frankfurt. Alle waren vor ihrem Ableben auf dem Römerberg und haben Euch zugehört. Ihr habt sie geküsst, alle vier. Die Frauen wussten nicht, dass das ein Judaskuss war. Auf wie vielen Lippen habt Ihr Eure Abdrücke noch hinterlassen?» Blettners Stimme wurde von Wort zu Wort schärfer.
    Der Prediger sah zu Boden. Es dauerte eine kleine Weile, bis er erwiderte: «Ein Kuss ist immer ein Judaskuss, Richter. Denkt darüber nach.» Dann rollte er sich auf dem Stroh zusammen und schloss die Augen.
    Blettner schnappte empört nach Luft, doch im selben Augenblick kam der Henker die Treppen herabgetrampelt. Blettner verschloss die Verliestür. «Ich glaube nicht, dass der heute noch einmal mit uns redet», erklärte er dem Scharfrichter.
    «Dann nehmen wir uns das Weib vor», erklärte der Henker. «Wenn er ein Ehrenmann ist, dann wird er nicht dulden können, dass wir sie hochnotpeinlich befragen.»
    «Hast du die Instrumente dabei?»
    Der Scharfrichter nickte. «Alles, was Ihr wollt. Daumenschrauben, Zangen, Schädelquetsche, Gewichte, die gedornte Halskrause, Pflöcke, um sie unter die Nägel zu schlagen …»
    «Hör auf, Henker!» Der Richter schüttelte sich.

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