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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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er.
    Hella wiegte den Kopf hin und her. «Sie war unglaublich schmutzig, obwohl sie dieses weiße Kleid trug. Ihre Füße waren so schwarz und verhornt, als wäre sie den ganzen Sommer über barfuß gelaufen. Die Fingernägel waren ebenfalls schmutzig, und das Haar hing farb- und glanzlos auf ihren Rücken.»
    «Aha!», sagte der Richter wieder. «Und was hat das nun wieder zu bedeuten?»
    «Da niemand sie kannte, ist es möglich, dass sie keine aus der Stadt war, wohl aber eine, die in Frankfurt Erledigungen zu machen hatte. Sie war keine Bäuerin aus den umliegenden Dörfern, denn die tragen wenigstens Holzschuhe. Sie war auch keine vom fahrenden Volk, denn die gehen niemals allein. Vielleicht, aber nur vielleicht, mein lieber Heinz, gehört sie zu den Truppen des Landgrafen, die vor den Toren der Stadt lagern.»
    «Eine Wanderhure?» Blettner hob seinen Kopf vom Kissen und blickte seine Frau an.
    «Möglich. Eine Wanderhure oder eine Marketenderin.»
    «Wie soll ich das nur überprüfen?» Blettner stöhnte auf. «Ich kann ja nicht das halbe Heer einladen, in der Hoffnung, jemand kennt die Fremde.»
    «Dann lasse sie vom Leichenbeschauer Eddi gründlich untersuchen. Vielleicht findet er an der Toten ja etwas, das Hinweise auf ihren Lebenswandel gibt.»
    Mit einem Schlag fiel alle Müdigkeit von Blettner ab. Er fühlte sich so frisch wie schon lange nicht mehr. Herzhaft küsste er seine Frau auf den Mund und flüsterte nahe an ihrem Hals: «Und wenn du mir nun noch sagst, wo der Ratsschatz ist, dann heirate ich dich gleich noch einmal.»
     
    Es dauerte allerdings noch eine gute Stunde, bis Richter Blettner sein Haus verließ und vor die Tore der Stadt zum Henkershaus marschierte. In einem Nebengebäude des Henkershauses lagen die vier toten Mädchen nebeneinander auf einem sehr großen Tisch. Vor dem Tisch stand Eddi Metzel und schaute gerade der Adele in den Mund. Der Schreiber hatte sich ein Tuch vor die Nase gebunden und notierte, was Eddi ihm sagte.
    «Gott zum Gruße, mein lieber Gesetzesfreund», dröhnte er, als der Richter die Treppe hinabgestiefelt kam. «Komm gleich einmal her und schau dir die Bescherung an. Die Erste, die hat es schon ziemlich zerfressen, aber nicht genug, als dass ich nicht doch noch etwas an ihr hätte feststellen können.»
    Zögernd und mit sichtlichem Widerwillen trat Blettner an den Tisch. Das, was von der einstigen Adele noch übrig war, sah so grausig aus, dass dem Richter schier das Blut in den Adern gefror. Ihre Augenhöhlen waren leer, stattdessen wimmelte es darin von Maden. Auch ihre Lippen waren zum Teil schon weggefressen. Ein Faden wie von geronnenem Blut zog sich von ihrem Mund bis über den Hals hinab. Ihr Leib war aufgebläht wie bei einer Frau, die kurz vor der Entbindung stand. Die Hautfarbe war an manchen Stellen grünlich, an anderen blaugrau. Das Schlimmste aber war der Geruch, den die Leiche verströmte. Blettner schluckte. Gerade noch hatte er den süßen Duft seiner Frau in der Nase gehabt, diesen Geruch nach Milch und Honig, nach Heimat, Geborgenheit und Liebe, und jetzt musste sich seine Nase an die dumpfe, stickige, klebrige Luft gewöhnen, die über der Leiche lag.
    «Was hast du herausgefunden?», wollte der Richter wissen.
    «Sie war ein gutes Kind, die Adele», erklärte Metzel. «Unbefleckt und unberührt wie die Heilige Jungfrau selbst. Wie immer sie auch gestorben sein mag, sie ist so rein und makellos wie ein neugeborenes Kind.»
    «Hast du Verletzungen an ihr festgestellt?»
    «Nein. Da war nichts. Rein gar nichts. Es ist wahrhaftig so, als hätte sie der Tod mitten in der schönsten Blüte überrascht.»
    «Todesursache?»
    Der Leichenbeschauer zuckte mit den Schultern. «Ich habe nicht die leiseste Ahnung, aber ich denke, dass auch sie vergiftet wurde, genau wie die Luise Bäckerin.»
    «Mit welchem Gift?»
    Wieder zuckte Eddi Metzel mit den Schultern. «Woher soll ich das wissen? Vielleicht wüssten wir mehr, wenn wir eine von ihnen oder besser noch alle drei aufschneiden würden.»
    «Um Himmels willen!» Der Richter stieß beinahe einen Schrei aus. «Das wird der Schultheiß niemals erlauben, schließlich sind wir hier keine Universität. Wenn du dir sicher bist, dass sich die Frauen nicht selbst getötet haben, dann schreibe das ins Protokoll. Es reicht so aus.»
    Eddi Metzel zog die Stirn in Falten und betrachtete die vier toten jungen Frauen beinahe liebevoll. Er strich sogar Adele eine Haarsträhne aus der Stirn. «Bin ich mir denn

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