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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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schon erkannt hätte, dass ihnen der Teufel das Begehren in den Schoß gesenkt hatte. Er hatte doch nichts Schlechtes gewollt! Er hatte wirklich nicht gewusst, dass es unter den Mädchen so viele gab, die sich in der Hölle ganz wohl fühlten. Er hatte versagt. Er war kein Retter mehr, sondern ein Mörder. Er würde niemals zu Gottes Füßen knien dürfen.
    Er hatte gehört, wie die Leute in der Stadt über ihn redeten. Über ihn und über die Elfrun. Verdient habe sie den Tod, hat eine gesagt, und eine andere hat von ihr als von einer Sünderin gesprochen. Verstanden die Leute denn nicht, dass der Tod eine Errettung war? Und eben darum konnte Elfrun den Tod nicht verdient haben. Hätte er die Macht, so würde er sie zu ewigem Leben verdammen. Aber nein, er hatte versagt. Einen Augenblick lang war er nicht seiner Aufgabe, sondern der Stimme seines Inneren gefolgt. Und nun hatte er alles verloren. Alles.
    Es wäre gut, wenn ich auch tot wäre, dachte der Retter, aber zugleich wusste er, dass er den Tod nicht verdient hatte. Ich muss es wiedergutmachen, dachte er. Vielleicht kann ich damit auch mich retten.
    Von ferne hörte er, wie jemand seinen Namen rief. Es klang ungeduldig. Seufzend erhob sich der Retter. Er musste sich dem neuen Tag stellen, komme, was da wolle. Er hatte nicht mehr viel Zeit, sein Fehler war zu groß gewesen. Aber er würde zusehen, dass er vergalt, was er getan hatte. Er würde noch viele Mädchen erlösen, erretten vom Verlust der Schönheit, erretten von Pein, Qual, Schmerz, Leid, vor allem aber erretten vor dem Alter und den Erinnerungen.
     
    Gustelies war gemeinsam mit den ersten Sonnenstrahlen aufgewacht. Fröhlich riss sie die Fenster auf, warf ihre Bettdecke auf das Brett und beugte sich dann hinaus, um zu sehen, was auf der Straße los war. Drüben, bei der Posamentiererin Gundel, standen die Fenster ebenfalls weit offen, ein paar Mägde schleppten bereits die vollen Wassereimer zurück in ihre Häuser, und einige Karren rumpelten hinunter zum Markt. Plötzlich erklang ein lustvoller Schrei von drüben, und Gustelies beugte sich noch ein wenig weiter nach vorn, sodass sie in die Posamentiererstube schauen konnte. Die Tür flog auf, und die Gundel stürmte in das Zimmer. Aber, bei Gott, die Gundel war nackt! Splitterfasernackt! Sie kreischte laut und lustig, dann flog die Tür erneut auf, und der Gattenbruder stürmte hinein. Und auch er war so, wie der Herr ihn geschaffen hatte. Atemlos verfolgte Gustelies, was da drüben vor sich ging. Die Gundel rannte um den Tisch, und der Schwager verfolgte sie. Kreischend fing er das Weib ein, schlang seine Arme um deren nackte Mitte, packte sie auf den Tisch und spreizte ihr die Beine. «Himmel!», rief Gustelies aus. «Am hellerlichten Tag! Ich fasse es ja nicht.» Dann schlug sie rasch das Fenster zu und rannte nach unten in die Küche. Sie war nur halb so empört, wie sie tat. Ach, dachte sie, soll die Gundel doch machen, was sie mag. Das Leben ist viel zu kurz, um sich solcherlei Dinge um der guten Sitten willen zu versagen. Soll sie lieben, soll sie sich lieben lassen, am Ende landen wir doch alle in der Grube. Plötzlich hielt sie inne. Bin ich jetzt auch verrückt geworden?, fragte sie sich. Noch gestern hätte ich Zeter und Mordio geschrien bei solch einem Treiben. Und heute entlockt es mir nur ein Lächeln? Sie spürte eine angenehme Wärme durch ihren Körper strömen. Und als sie an Henn Goldschlag dachte, da kribbelte es in ihrem Bauch, als hätten die Ameisen dort einen Bau.
    «Ach, wie ist das Leben schön», trällerte Gustelies in der Küche vor sich hin und schaufelte schwungvoll ein paar Löffel Hirse in den Kessel.
    «Ist wieder alles in Ordnung mit dir?» Der Pater stand barfuß und im Schlafrock in der Küche und kratzte sich am Kopf. «Du singst ja wieder.»
    Gustelies fuhr herum. «Ja, das tue ich. Aber glaube bloß nicht, dass du etwas damit zu tun hast.»
    Pater Nau brummte etwas in seinen Bart, dann goss er einen Eimer Wasser in ein Becken und wusch sich das Gesicht.
    «Beeile dich ein bisschen, ja? Ich habe heute nicht viel Zeit. Gleich muss ich auf den Markt, und danach wird hier gekocht. Am späten Vormittag muss ich dann weg. Warte nicht auf mich; bis zum Abendessen bin ich zurück.»
    Pater Nau nickte. «Kommt mir gut gelegen. Auch ich bin heute sehr beschäftigt.»
    Gustelies betrachtete ihren Bruder misstrauisch. «Hast du etwas Besonderes vor?», fragte sie. Der Pater guckte so fromm wie ein Osterlamm. «Nein,

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