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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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eigentlich nicht. Die Arbeit eben. Wie jeden Tag. Du weißt doch …»
    «… die Erde ist ein Jammertal und das Leben ein Graus», beendete Gustelies den Satz, goss den fertigen Hirsebrei in eine Schale, gab ein Stückchen Butter hinzu und stellte ihn auf den Tisch. Dann holte sie ihren Weidenkorb aus der Vorratskammer und begab sich zum Markt.
    Sie war heute so früh dran, dass nur wenige Käufer durch die Reihen mit den Ständen schlenderten. Auf dem Obst und dem Gemüse glitzerte noch der Morgentau, das Fleisch hing matt und fest an den Haken, der Käse und die Butter hielten fest in ihren Formen und zeigten eine satte gelbe Farbe.
    Doch Gustelies lief blicklos an den Ständen vorbei, direkt hinunter zum Main. Dort kaufte sie einem Fischer einige prächtige Hechte ab, erstand auf dem Rückweg ein Dutzend frische Eier, ein helles und ein dunkles Brot sowie einen Klumpen Butterschmalz. Zu Hause plünderte sie ihr Kräuterbeet, pflückte Petersilie, Thymian, ein paar Sellerieblätter, grub eine Zwiebel aus, schnitt noch ein paar Stängel Salbei und holte zum Schluss aus ihrer Vorratskammer das sorgsam gehütete Näpfchen mit dem teuren Safran, ein bisschen Pfeffer und einen Löffel voll gemahlenem Kümmel.
    Sie schuppte die Fische, dann tat sie einen beherzten Schnitt vom Schwanz des Hechtes bis hoch zu den Kiemen und entfernte die Innereien. Als alle Hechte ausgenommen waren, füllte sie die entstandenen Taschen mit einer Mischung, die sie vorher aus Weißbrot, Kräutern, Zwiebeln und Gewürzen hergestellt hatte, danach salzte sie die Tiere rundherum großzügig ein, steckte sie mit winzigen Holzstäbchen zusammen, ließ Butterschmalz in einer Pfanne zerfließen und buk die Fische gründlich aus, während sie immer wieder das gute Schmalz über die Tiere laufen ließ. Als sie fertig war, holte sie eine längliche Tonschale, füllte einen der Hechte hinein, deckte ihn mit einem Leinentuch zu und machte sich auf den Weg in die Goldschlägergasse.
    Je näher sie ihrem Ziel kam, umso langsamer wurden ihre Schritte. Dafür schlug ihr Herz in einem rasenden Takt.
    Wie lange war das her, dass sie zum letzten Mal so etwas wie Schmetterlinge in ihrem Bauch gespürt hatte? Jahre? Nein, Jahrzehnte war das her. Fast schämte sie sich dafür. Gustelies spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg, wie ihr heiß wurde, so heiß, dass sie das Brusttuch ein wenig lockerte und ihr Mieder weniger fest schnürte. Ihre Knie zitterten, und ihr Mund war trocken. Sie wäre am liebsten davongerannt, und zugleich zog sie etwas unaufhörlich weiter.
    Ich führe mich auf wie eine dumme, junge Gans, dachte sie und musste über sich selbst lächeln. Henn Goldschlag. Als sie ihn gesehen hatte, da war alles wieder da gewesen. So, als wären zwischen dem Maientanz und heute nur ein paar Stunden gewesen, und nicht Jahrzehnte, nicht ein ganzes Leben. Sie hatte sich so vertraut gefühlt mit ihm, so, als könne sie alle seine Gedanken lesen. So, als wären sie nie getrennt gewesen.
    Endlich hatte sie das Haus erreicht. Im oberen Stockwerk stand ein Fenster offen, und es erschien Gustelies als Hoffnungsschimmer, dass Henn das Leben wieder in sein Haus ließ. Sie lächelte so breit, dass ihr beinahe der Kiefer schmerzte.
    «Gott zum Gruße, Pfarrhaushälterin!»
    Gustelies fuhr herum. Andres, der junge Goldschläger, wuchtete gerade einen Granitblock von einem Fuhrwerk. «Ihr seid nun öfter hier, wie ich höre. Ist der Auftrag für Eure Kirche schon vergeben?»
    Gustelies blieb stehen, stellte den Korb zu ihren Füßen und verschränkte die Arme vor der Brust. «Nein, noch nicht. Aber bald schon ist es so weit. Kannst du dich denn besonders empfehlen?»
    Der Goldschläger rollte den Steinblock zur Seite, putzte sich die Hände an den Hosen ab und kam näher. «Na ja», sagte er und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. «Brauchen könnte ich den Auftrag gut. Mehr als je zuvor. Ich habe wieder eine Braut, müsst Ihr wissen. Sie ist schön, wunderschön sogar.» Er warf sich stolz in die Brust. «Und sie ist anspruchsvoll. Ich muss ihr schon etwas bieten, wenn ich sie halten will.»
    «Ach ja?» Gustelies beugte interessiert den Kopf nach vorn. «Und der Adele, der hast du nichts bieten wollen?»
    Andres lachte und schürzte verächtlich die Lippen. «Die Adele, nein. Die war so etwas nicht wert. Auch, wenn ihr Alter mich gestern in der Schänke am liebsten umgebracht hätte. Er war erst friedlich, als das Schankmädchen ihm

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