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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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nicht», erwiderte die junge Seifensiederin. «Seit mein Liebster tot ist, bin ich es auch. Ich habe nur noch einen Wunsch: endlich bei ihm zu sein.»
    Sie seufzte, und kurz darauf hörte Hella sie wieder erbärmlich weinen.
    Sie griff nach Lilos Hand und streichelte sie.
    «Und dem Kind? Wie geht es ihm?»
    Die Lilo schnaufte. «Ich glaube, es geht ihm gut. Es bewegt sich mit jedem Tag energischer. Er sagt, in wenigen Tagen ist es so weit.»
    «Wie bist du hierhergekommen?»
    «Ich weiß es nicht», erwiderte die Lilo. «Ich kann mich nicht recht erinnern. Eines Tages wachte ich auf und dachte, ich wäre im Himmel. Froh war ich darüber, Richtersweib. So unendlich froh. Ich wollte raus und nach meinem Liebsten suchen, aber da stand er. Gesagt hat er, er hätte mich aus dem Fluss gezogen, und wirklich waren meine Kleider nass.»
    «Und Ihr selbst wisst nichts mehr?», wollte Hella wissen.
    Die Lilo schüttelte den Kopf. «Alles in mir war leer und gestorben, als ich hörte, dass der Liebste tot ist. Ich weiß nicht, wohin ich gegangen bin. Ich weiß nur, dass ich nichts gesehen und nichts gehört habe. Nur den Tod habe ich mir gewünscht. Gebetet habe ich darum, Gott angefleht, das Kind und mich zu sich zu holen.»
    «Hmmm», machte Hella. «Und nun bist du hier. Wie lange schon? Und was machst du hier?»
    Durch den Fensterladen fiel ein Streifen Mondlicht auf das Gesicht der Seifensiedermagd. Hella erschrak. Lilos Augen waren so blickleer, waren nur noch zwei dunkle Löcher. Und dort, wo einst ihre wunderschöne Lockenmähne geprangt hatte, war nichts. Kein einziges Haar. Nur noch ein paar Stoppeln.
    «Ich warte darauf, dass das Kind geboren wird. Er hat gesagt, es solle selbst entscheiden können, ob es leben will oder nicht.»
    «Und du?»
    Die Lilo lächelte. «Ich werde zu meinem Liebsten gehen, werde endlich glücklich sein.»
    Hella wich zurück. «Wie … wie willst du das anstellen? Du redest doch nicht etwa davon, dich selbst zu töten?»
    Die Lilo schüttelte den Kopf. «Aber nein, das wäre doch eine Sünde. Eine Todsünde, und ich käme in die Hölle. Niemals könnte ich dann den Liebsten wiedersehen.
    Er hat gesagt, ich würde nichts spüren. Einfach nur einschlafen und im Himmel erwachen.»
    «Er will dich töten?»
    Die Lilo schüttelte energisch den Kopf. «Nicht töten, nein, er will mich nach Hause führen. Glaubt mir, Richtersweib, ich kann es kaum erwarten.»
    Hella verstand nicht.
    «Und dein Kind? Soll es allein hierbleiben? Ohne Mutter, ohne Vater?»
    «Es wird Vater und Mutter haben. Es wird ihm gutgehen, es wird nichts vermissen. Das hat er mir versprochen. In die Hand und bei seinem Leben.»
    Allmählich begriff Hella. Aber was sie da hörte, kam ihr so unglaublich vor, dass ihr Verstand sich weigerte, Lilos Worte als Wahrheit zu akzeptieren.
    «Und warum tut der Mann das?»
    Die Lilo blickte verständnislos drein. «Er ist von Gott dafür bestellt, meine ich.»
    «Hat er Euch das so gesagt?»
    «Nein. Aber er hat gesagt, dass Gott einen Preis verlangen wird für den Eintritt ins Paradies.»
    «Welchen Preis?»
    Hella war inzwischen so angespannt, dass sie die Zähne in die Unterlippe vergraben hatte. Ihr Herz schlug vor Aufregung wie ein Hammer. Die Hand hatte sie schützend auf ihren Bauch gelegt.
    «Gott will nur, was ich im Paradies nicht brauchen kann. Er hat es mir geschenkt, er fordert es zurück. Das ist gerecht, scheint mir. Eine himmlische Gerechtigkeit.»
    «Und was genau ist das, was Gott zurückhaben will?», fragte Hella, und ihr wurde bitterkalt bei dieser Frage.
    «Könnt Ihr Euch das nicht denken, Richtersweib? Meinen Leib will er zurück. Damit ein anderer Mensch davon Nutzen hat. Ich bin noch jung, konnte mir einen Platz im Paradies noch nicht erwerben. Deshalb gebe ich meinen Körper zurück. Und damit Gott weiß, dass es mir ernst ist, habe ich bereits mein Haar geopfert. Er wollte es in die Kirche bringen, auf dem Altar opfern, und er hat es getan, und der Herr hat mein Opfer in seiner Güte angenommen. Nun will er noch meinen Körper; und ich gebe ihn mit Freuden zurück.»
    «Was?» Hella schrie beinahe. «Du sollst deinen Körper hergeben? Wofür in Gottes Namen denn?»
    «Damit die Kranken an meinem Leib gesunden. Meine Seele aber werde ich behalten. Gemeinsam mit ihr werde ich ins Paradies gelangen, und der Liebste steht gleich hinter dem Tor und wartet auf mich.»
    Darauf wusste Hella nichts mehr zu sagen. Das kalte Grauen kam über sie, und sie begann zu

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