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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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den Stummen rufen? Ich habe zu tun, muss forschen, das Blut gerinnt mir im Kessel, und alles ist verdorben.»
    «Was wisst Ihr über ihn?»
    Der Alte zuckte mit den Achseln. «Ich weiß, was ich wissen muss. Er bringt mir alles, was ich benötige. Er tut, was ich ihm sage.»
    «Das heißt also, dass er hören kann?», fragte Jutta weiter.
    «Das will ich meinen, Weib. Besser, als jede von euch das kann.»
    «Und kann er am Ende auch sprechen?»
    «Natürlich kann er das, dummes Ding.»
    «Und warum tut er es dann nicht? Warum gibt er sich stumm?»
    «Weil er klug ist, deshalb. Das meiste Gerede ist nichts als blödes Geschwätz, das keiner braucht. Warum also das Maul aufreißen? Wenn’s nötig sein sollte, wird er schon sprechen.»
    Jutta überlegte. Der Alte war so verrückt, dass sie ihm glaubte.
    «Wo habt Ihr ihn kennengelernt?», wollte sie zum Schluss noch wissen.
    «Bei den Fleischbänken in der Stadt. Herumgestrichen ist er dort, aber er hatte dieses Etwas im Blick. Ja, ein Gelehrter erkennt seinesgleichen am Blick. Die besten Ochsenaugen hat er mir gezeigt, und das frischeste Kalbshirn. Aber bei der Franzosenkrankheit nützen diese Dinge nicht viel. Ein Menschenleiden muss mit Menschenleib kuriert werden. So lehrte schon Paracelsus, mein guter Lehrer.»
    Minerva lockerte den Griff, und der Alte sprang auf, noch ehe die Kräuterfrau reagieren konnte, und rannte die Treppe hinunter in sein Laboratorium. Die Frauen hörten, wie eine Tür energisch abgeschlossen wurde.
    Jutta sah Minerva an. «Viel weiter hat uns dein Vater nicht gebracht», sagte sie.
    «Das ist wahr, aber mir kommt da ein Gedanke. Du sagtest doch, eine Leiche sei im Wald gefunden worden. Wir müssen herauskriegen, wo genau das war. Der Stumme ist nicht so kräftig wie ein Auflader. Er muss also in der Nähe wohnen.»
    «Und die Frau, die man am Mainufer gefunden hat? Wie, meinst du, ist sie dahin gekommen?»
    Minerva zuckte mit den Achseln. «Womöglich hat er einen Karren benutzt.»
    «Aber was hat er mit der Toten überhaupt in der Stadt gewollt?»
    «Ja, das ist die Frage.»
    «Komm, lass uns zurück in die Stadt gehen», schlug Jutta vor. Ihre Stimme klang mit einem Mal ängstlich. Und jetzt spürte sie auch ihre Müdigkeit. Am liebsten wäre sie nach Hause und in ihr Bett gegangen, hätte sich die Decke über die Ohren gezogen und so lange geschlafen, bis alles wieder gut wäre.
    Aber nichts wurde gut, es wurde noch nicht einmal besser.
    Jutta war so in ihren Kummer versunken, dass sie das kleine Mädchen nicht bemerkte, das vor dem Haus stand und die beiden Frauen mit offenem Mund anstarrte.
    Minerva aber sah das Kind, hockte sich vor es, strich sanft über sein Haar. «Wie heißt du, Schätzchen?»
    Das Kind lächelte zaghaft zurück. «Agathe», sagte es leise.
    «Stehst du oft hier?»
    Agathe nickte.
    «Und was machst du hier? Spielst du ein Spiel?»
    Das kleine Mädchen lachte. «Kennst du mein Spiel?», fragte es.
    «Nein. Willst du es mir zeigen?»
    Agathe schüttelte den Kopf. Sie neigte sich zu Minerva. «Es ist ein Geheimspiel», erklärte sie mit wichtiger Miene. Dann fasste sie nach Minervas Halskette und betrachtete den Anhänger mit großen Augen.
    «Was ist das?», fragte sie und deutete auf das geflügelte Pferd.
    «Das ist auch ein Geheimnis», erklärte Minerva. «Ich kann es dir nur verraten, wenn du mir dein Geheimnis verrätst.»
    «Was soll das?», brummte Jutta. «Wir haben keine Zeit für Schwätzchen. Wir müssen zurück in die Stadt.»
    Minerva sah Jutta an und zwinkerte dabei leicht mit dem rechten Auge. «Agathe hat ein Geheimnis», erklärte sie mit Kinderstimme. «Hast du vielleicht auch ein Geheimnis, das wir gegen ihres tauschen können?»
    Jutta verstand. Sie hatte zwar selbst keine Kinder, doch sie liebte die Kleinen. Also hockte sie sich neben Minerva und sagte mit geheimnisvoller Stimme: «Ja, ich habe auch ein Geheimnis. Ein ganz wichtiges sogar. Ich weiß nämlich, wo es die süßesten Zuckerkringel in ganz Seckbach gibt.»
    «Oh!», juchzte das Mädchen auf. «Zuckerkringel!»
    «Du bekommst sie, wenn du mir dein Geheimnis sagst.»
    Das Kind verzog unentschlossen den Mund.
    «Und meine Kette dazu», legte Minerva nach.
    Agathe zögerte noch einen Augenblick, dann hockte sie sich ebenfalls auf die Erde und flüsterte: «Ich weiß, wann der Stumme immer kommt. Heute kommt er. Und ich warte auf ihn. Meine Mutter sagt, er ist ein böser Zauberer.»
    Juttas Herz schlug rasend schnell. «Woher weißt du,

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