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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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zittern.
    «Sind wir allein in diesem Haus?», fragte sie.
    Lilo nickte, dann schüttelte sie den Kopf. «Ich war immer nur hier drin, wisst Ihr. Vielleicht gibt es noch jemanden, doch gehört und gesehen habe ich nichts.»
    «Und wisst Ihr wenigstens, wo wir hier sind?»
    Lilo verneinte. «Ist das nicht vollkommen gleichgültig?», fragte sie.
    «Was weißt du über den Mann?»
    Die Hochschwangere sah sie verständnislos an. «Was soll ich über ihn wissen?»
    «Hast du ihn denn nichts gefragt?»
    Die Lilo richtete sich empört auf. «Warum sollte ich ihn etwas fragen? Habe ich nicht genügend eigenen Kummer? Ich habe ihn nicht gebeten, mir zu helfen. Er hat es von sich aus getan. Seine Gründe gehen mich nichts an.»
    Hella nickte. Dann stand sie auf, strich der Lilo mit dem Zeigefinger über die Wange. «Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken. Schlaf ruhig weiter.»
    Die Lilo brummte etwas, dann drehte sie sich mit dem Gesicht zur Wand, und Hella verließ ihr Zimmer und begab sich zurück in ihre Kammer.
    Dort öffnete sie die hölzernen Läden und atmete gierig die kühle Nachtluft ein. Noch immer trieb der Sturm dickbäuchige Wolken durch die Nacht, noch immer heulte der Wind im Kamin, bogen sich die Äste der jungen Bäume bis auf den Boden.
    Habe ich recht gehört?, dachte Hella. Hilft er den Frauen bei der Geburt und bringt sie dann um? Auf ihren eigenen Wunsch hin? Gibt es so etwas?
    Ihre Gedanken drehten sich wie Kinderkreisel. Sie erinnerte sich an die Zukunftsaussichten, die er ihr für eine Magd mit Kind ausgemalt hatte. Selbst ihr war in diesem Augenblick der Tod verlockender erschienen als das Leben. Und das war es auch, was sie am meisten schreckte.
    Aber nein! Halt! So durfte, so wollte sie nicht denken.
    Hella schüttelte sich. Das Leben war etwas so Kostbares, das Kostbarste überhaupt. Niemand durfte es einfach wegwerfen. Und schon gar niemand durfte jemand anderen dazu bewegen. Der Jedermann war ein Mörder, wenn er sich auch in ein Engelsgewand hüllte.
    Plötzlich waren Hellas Gedanken klar und logisch. Wie hatte sie nur einen Augenblick lang den Reden des Jedermanns lauschen können? O Gott, und beinahe hätte sie ihm Glauben geschenkt! Hätte den Tod dem Leben vorgezogen!
    Hella sank auf die Knie und betete, bat Gott um Vergebung für ihre Zweifel und um Kraft für alles, was kommen mochte.
    Dann erhob sie sich, fühlte sich gestärkt und wollte zurück zu Lilo. Sie durfte nicht sterben wollen. Sie musste leben. Schon sehr bald würde sie Mutter sein. Und ihr Kind brauchte sie. Sie musste diese Frucht der Liebe für den Liebsten und für sich aufziehen. In dem Kind würde die Liebe weiterleben. Ja, das war es. Wer sich selbst tötete oder auch nur mit dem Gedanken an den eigenen Tod spielte, der tötete die Liebe. Nie hatte Hella das so deutlich gespürt wie in diesem Augenblick.
    Sie stand auf, wollte zurück zu Lilo, da durchschnitt ein grässlicher Schrei die Stille.

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Kapitel 38
    A ls Jutta hinter Minerva das Haus des Gelehrten im Dörfchen Seckbach betrat, musste sie nach Luft ringen. Der Gestank war fürchterlich. Es roch nach alten Kleidern, nach Staub und ungewaschenen Leibern, dazu kam der durchdringende Geruch der Kräuter, die in zahllosen Bündeln von der Decke hingen, und, stärker noch, ein Geruch, den sie aus dem Henkershaus kannte.
    «Was in aller Welt treibt dein Vater hier?», keuchte Jutta und presste sich ihr Halstuch vor Mund und Nase.
    «Ich sagte doch schon, er hat sich ganz von der Welt abgewandt. Er forscht. Das ist alles.»
    Sie sah sich um, dann rief sie: «Vater?», und noch einmal, als keine Antwort kam: «Vater!»
    «Hier bin ich, im Laboratorium», kam die grämliche Antwort.
    Minerva wies auf eine steinerne Treppe, die hinab in einen Keller führte. «Da entlang. Pass auf deinen Kopf auf, die Decke ist niedrig. Ach ja, und der Gestank wird mit jeder Stufe schlimmer.»
    «Geht das überhaupt?», wollte Jutta hinter ihrem Tuch wissen und folgte Minerva.
    Die Kräuterfrau behielt recht. Der Gestank war unbeschreiblich. Unten roch es nach Moder, nach Exkrementen und alles in allem so, wie sich Jutta Hinterer den Gestank der Hölle vorgestellt hatte.
    Die Stufen führten hinab zu einem kleinen Vorraum, der mit Eimern vollgestellt war. Aus einem der Eimer quollen Därme, ein anderer war mit Ochsenaugen gefüllt, in einem dritten schwappte eine rote Flüssigkeit, und auf dem Eimerrand hatten sich Fliegenschwaden niedergelassen.
    Eine fette

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