Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
für den Kräutergarten zuständig war, Bruder Gabriel, der hat aus Menschenblut sogar Lattwerch gekocht.»
«Ihhh!», rief Hella und schüttelte sich. Jutta und Gustelies verzogen den Mund.
Blettner aber hatte nicht richtig zugehört. Er hob jetzt den Finger wie ein Schulmeister und sagte: «Die Frage ist nicht, ob Leichenzeugs oder nicht, sondern woher das Leichenzeugs stammt. Jutta – ich sage es wirklich nicht gern – hat recht. Unser Henker mag Menschenfett und Leichenwasser verkaufen, aber frisches Menschenblut hatte er in den letzten Monaten nicht.»
Am Tisch herrschte für einen Augenblick Stille.
Dann raunte Gustelies leise: «Also ist der Apotheker der Mörder?»
Blettner schüttelte den Kopf. «Dann wären die meisten Apotheker Mörder. Sie haben doch alle so etwas. Wir müssen herausfinden, wer ihnen in letzter Zeit frisches Blut geliefert hat.»
«Und du glaubst, sie werden reden?» Jutta schüttelte den Kopf. «Damit stellen sie sich doch selbst an den Pranger. Leichenschändung. Ihr wisst schon. Jeder hier in der Stadt weiß, dass es gemacht wird, obwohl es verboten ist, aber niemand spricht darüber.»
Am nächsten Morgen schleppte Gustelies Eimer mit heißem Wasser und Seifenlauge in die Sakristei. Der Pater hatte ihr gestanden, dass er die Skalpe in der Truhe mit der Weihnachtskrippe versteckt hatte, und nun wollte Gustelies dem armen Jesuskind wieder ein sauberes Zuhause verschaffen. In ihrer Kittelschürze steckten zwei halbe Zwiebeln, ein Krug mit Essig und ein paar Eierschalen.
Doch ihre Gedanken drehten sich weder um den Frühjahrsputz noch um den Pater, sondern um die Toten und die Kinder im Findelhaus.
Zuerst rieb sie mit den Zwiebelhälften die Fenster der Sakristei von Fliegendreck sauber, dann zerbröselte sie die Eierschalen in den Abendmahlskelch, gab einen Schuss Essig dazu und hoffte, die Gerätschaften würden bis zum nächsten Morgen in hellem Glanz erstrahlen.
Zum Schluss schrubbte sie die Krippenfiguren mit Seifenlauge, wartete, bis sie getrocknet waren, und rieb sie danach mit Bienenwachs
ein.
Nach zwei Stunden strahlte die Sakristei wie neu, und es roch nicht mehr nach merkwürdigen Dingen, sondern vor allem nach Bienenwachs und Sauberkeit. Aber Gustelies war über der Arbeit nicht ruhiger geworden. Die schlimmen Gedanken, die Sorgen trieben sie um. Was sollte sie nur tun? Sie fühlte sich so hilflos. Meine Güte, so hilflos hatte sie sich nicht einmal gefühlt, als Klärchen Gaube den Kuchenwettbewerb gewonnen hatte.
Klärchen Gaube. Die gute Haut. Ihr Name lag Gustelies auf der Zunge wie ein Stück verdorbenes Fleisch. Klärchen Gaube. Mit einem Mal durchzuckte sie ein Gedanke. Beherzt griff sie nach dem Wischeimer, goss die Seifenlauge über die Kirchenstufen, eilte in die Küche, zog ihr bestes Kleid an und machte sich auf den Weg.
Als Heinz Blettner an diesem Morgen das Henkershaus erreichte, war Eddi Metzel schon da.
Er stand mit müden Augen neben dem großen Tisch in der Leichenhalle. Auf dem Tisch lagen lose Knochen. Beinahe sah es aus wie ein Skelett, doch die Rippen waren nur unvollständig erhalten, außerdem fehlten ein Schienbein, ein paar Fingerknochen und ein Knöchel.
«Und?», fragte der Richter. «Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?»
«Hmm», machte Eddi Metzel, hob den Totenschädel hoch und ließ dessen Gebiss mit einem klackenden Geräusch aufklappen.
Der Schreiber schüttelte sich und drehte das Gesicht zur Wand.
«Also? Ich höre?»
«Hmm», wiederholte Eddi und leuchtete mit einer Kerze in das Gebiss des Schädels. «Interessant.»
«Was ist so interessant?»
«Wie?» Endlich schreckte Eddi auf und ließ das Gebiss mit einem Knall zufallen.
«Was hast du herausgefunden, Herrgottnocheins? Ist das da männlich oder weiblich?»
«Das da war mal eine Frau. Und wenn du mich fragst, dann war sie noch ziemlich jung. Da, der Schädel, siehst du? Bei einer Erwachsenen wäre das alles zu, hier ist aber noch ein Spalt offen. Ich schätze sie so zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren. Ganz grob. Die Zähne passen auch in das Altersbild.»
«War sie schwanger?»
Eddi hob die Schultern. «Ich habe keine Ahnung. Aber wenn sie schon Kinder hatte, dann waren das keine leichten Entbindungen, so schmal, wie das Becken ist.»
Blettner seufzte. «Wir sind also keinen Schritt weiter. Wir wissen nur, dass die Leiche eine Frau von ungefähr fünfzehn bis zwanzig Jahren war. Hast du herausfinden können, woran sie gestorben ist?»
«Auch
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