Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
Buttertöpfchen. Erst als das Mahl beendet, der Tisch abgeräumt und die Weinbecher gut gefüllt waren, schlug Gustelies leicht mit der flachen Hand auf den Tisch. «So, wir müssen endlich etwas tun. Der Pater stirbt uns unter den Fingern weg, und in der Stadt geht ein grausamer Verbrecher um. Außerdem sind da noch die Findelkinder. Heinz, meine Geduld ist am Ende. Wir müssen etwas tun.»
Heinz nagte noch immer an dem Wachtelknochen. «Wir tun, was wir können», murmelte er.
Jutta reckte sich. «Ich habe etwas herausgefunden. Beim Apotheker Schwarzhaupt war ich.» Sie senkte die Stimme und beugte sich ein wenig nach vorn. «Er handelt mit Medikamenten, die er aus Leichen herstellt. Menschenblut und Menschenfett. Er nennt es Sanguis hominis und Armesünderfett.»
«Er macht was?» Hella schüttelte sich.
«Jetzt stell dich nicht so an», beschied Gustelies ihr. «Medizin aus Leichenteilen wurde und wird zu allen Zeiten verkauft. Natürlich nur unter dem Ladentisch. Hast du etwa noch nie gehört, dass frisches, möglichst noch warmes Menschenblut als Lebenselixier sehr kostbar ist? Es soll auch gegen die Tollkrankheit helfen, gegen Auszehrung, die Franzosenkrankheit, kurz, gegen alle Übel der Menschheit. Manche Henker mischen das frische Blut von Enthaupteten mit Sand und verkaufen den Heilsand dann heimlich.»
«Unser Henker auch?», fragte der Richter und schaute verblüfft drein.
Jutta und Gustelies zuckten mit den Achseln. Hella aber wurde ein wenig bleich. «Die Henkersfrau war heute bei Minerva, der Kräuterfrau aus der Vorstadt. Ich habe gehört, wie die Henkerin ihr Leichenwasser und Fett angeboten hat.»
Jutta verlor ebenfalls ihre Gesichtsfarbe und wischte verstohlen an ihren Wangen herum. «Du kennst die Minerva?», fragte sie.
Hella nickte.
«Wer ist das?», fragte der Richter streng. «Und was habt ihr mit diesem Weib zu schaffen?»
Jutta achtete nicht auf ihn, sondern fragte Hella mit Nachdruck: «Hat sie dir von der Jungbrunnensalbe berichtet?»
Hella schüttelte den Kopf. «Tropfen zur Verdauung hat sie mir gegeben. Und eine Salbe aus Nachtkerzenöl für die Haut.» Sie sah unsicher zu ihrer Mutter.
Gustelies winkte ab. «Die kannst du ruhig nehmen. Die Mittel sind harmlos, bewirken nur Gutes. Aber was um Himmels willen ist in der Jungbrunnensalbe?»
«Ich weiß nicht, wovon ihr redet», mischte sich Blettner noch einmal ein, doch die Frauen beachteten ihn nicht.
Jutta murmelte nur: «Zur Messe hat mir mal einer was verkaufen wollen. Pinguedo hominis nannte er es. Menschenfett. Es war in Tonkrügen aufbewahrt, in Lorbeer- und Nussblätter eingehüllt. Kühl sollte ich es stellen. Er sagte, die Medici nähmen es zur Behandlung von Gicht, Knochenreißen, Schwindsucht, Auszehrung und zur Entgiftung. Und heute bin ich nun durch unseren Medicus zu einem Apotheker geschickt worden, der ebenfalls Menschenblut und Menschenfett verkauft.»
«Neu ist das nicht», erklärte Blettner nun. «Alle Apotheker und die meisten Henker handeln mit diesen Dingen, wenn auch unter der Hand.»
Jutta kramte in ihrem Weidenkorb und holte ein in Ölpapier gewickeltes Päckchen hervor. «Hier!», sagte sie. «Das ist ein Pfund Armesünderschmalz. Vom Apotheker. Wir sollen es unserem Pater auf die Brust schmieren gegen seine Auszehrung. Und genau das werde ich auch tun. Ich bin sicher, es wird helfen. Und das ist auch gar nicht die Frage.»
«Wie lautet denn die Frage?», wollte Hella wissen.
Jutta hob den Finger. «Die Frage lautet, woher der Apotheker das Leichenzeugs hat. So wie ich den Henker verstanden habe, gab es in der letzten Zeit keine Leichen außer der Toten vom Main und dem Skelett aus dem Wald.»
Der Richter winkte ab. «Das kann schon älter sein. Es war sehr kalt, hat sich bestimmt vom Herbst her gehalten.»
Bruder Göck, der bis jetzt geschwiegen hatte, meldete sich zu Wort:
«Leber, warm vom Lästerjud,
Nas vom Türk, Tatarenohrn;
Hand vom Kind, erwürgt mit Schnur,
Dreckgeborn von einer Hur,
Macht die Brühe prächtig pur.»
«Antoniter!», brüllte Gustelies. «Nicht in einem Pfarrhaus. Woher kennt Ihr überhaupt solche Sprüche?»
Bruder Göck kicherte. «Keine Vorwürfe bitte. Leute, die einen Geistlichen ins Hurenhaus schicken, sollten so etwas um ihres Seelenheils willen nicht tun. Aber ich war nicht immer in Frankfurt Antoniter. Als Novize war ich in Grünberg im Vogelsberg. Dort, wo sich Hase und Wolf gute Nacht sagen. Da gab es keine Ärzte, nur uns Mönche. Und der, der
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