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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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das nicht, tut mir leid. Das Skelett ist, soweit vorhanden, in Ordnung. Sie könnte ertrunken, erstickt, erfroren oder vergiftet worden sein. Vielleicht war sie aber auch krank. Ein schlimmes Fieber, ein Herzfehler, was auch immer.»
    Blettner seufzte noch einmal, dieses Mal aber sehr viel lauter. «Himmelnocheins, kommen wir denn wirklich keinen Schritt weiter?»
    Er drehte sich zu dem Schreiber um. «Was hast du gestern in Erfahrung gebracht? Wird wer vermisst?»
    Der Schreiber drehte sich um, senkte die Blicke auf den Boden. «Ein altes Weib, ein Junge von fünf Jahren, ein Mann in bester Blüte und dann noch die, von der wir schon wissen.»
    «Aha. Von wem wissen wir schon?»
    Der Schreiber holte tief Luft. «In Vilbel wird eine junge Frau vermisst. Sie soll auch schwanger gewesen sein. Aber keiner hat sich als Vater dazu bekannt. Wie auch? Es heißt, sie hatte einen Wolfsrachen. Wahrscheinlich ist sie ins Wasser gegangen.»
    Blettner nickte.
    Aber Eddi Metzel stand plötzlich da, als wäre der Blitz in ihn gefahren. «Einen Wolfsrachen sagst du?»
    «Ja, so hieß es. Einen Wolfsrachen. Manche sagen auch Hasenscharte dazu. Wie auch immer, sie war wohl hässlich wie die Nacht. Und niemand konnte sich vorstellen, dass es überhaupt einen Mann gab, der so eine schwängert.»
    «Hach, Schreiber! Du bist nicht besser als die Mägde am Brunnen», klagte der Richter wieder einmal.
    «Ein Wolfsrachen. Ja, das ist es!», murmelte Eddi vor sich hin.
    «Was ist was?»
    «Die Leiche. Der Schädel. Hier, sieh selbst.»
    Er nahm den Schädel wieder auf und leuchtete mit der Kerze in das offene Gebiss. «Siehst du das?», fragte er den Richter.
    «Ich sehe nur Knochen. Und dort einen Spalt.»
    «Ja. Und jetzt weiß ich endlich auch, was dieser Spalt zu bedeuten hat. Es ist ein Wolfsrachen!»
    Blettner fuhr zurück. «Willst du damit sagen, dass die Tote aus dem Wald vermutlich die schwangere junge Frau mit dem Wolfsrachen aus Vilbel war?»
    «Ja», bestätigte Eddi Metzel. «Das meine ich. Und es wäre gut möglich, dass der zweite Skalp ihr gehört. Welche Haarfarbe hatte sie noch einmal?»
    Der Schreiber blätterte in seinen Unterlagen. «Mittelblond», sagte er. «Ihre Mutter hat ausgesagt, ihr Haar hätte ausgesehen wie ein Ascheimer. Mittelaschblond also.»
    «Und der zweite Skalp war ebenfalls von einem aschigen Blond», fügte Blettner hinzu.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 24
    H ella strich ruhelos durch ihr Haus. Sie rückte hier ein Deckchen zurecht, zupfte da an einem Kissen, schaute aus dem Fenster, wandte sich enttäuscht ab und sah nach der Magd, die in der Küche wirtschaftete. «Ist was einzukaufen?», fragte sie.
    Die Magd schüttelte den Kopf. «Immer noch nicht, Herrin. Ihr fragt jetzt schon zum dritten Mal. Die Vorratskammer ist gut gefüllt, die Wäsche liegt eingeweicht im Zuber, der Korb mit den Stopfsachen steht dort auf der Küchenbank.»
    «Hmm», murmelte Hella und ging zurück nach oben, schob einen Kerzenständer zurecht, rückte mit dem Fuß einen Läufer gerade, schaute aus dem Fenster und wandte sich enttäuscht ab. Dann kniete sie sogar vor einem gemalten Bild der Heiligen Jungfrau nieder und betete. Am Schluss ihrer Fürbitte sagte sie: «Und schütze auch Pater Nau, der an Auszehrung leidet.»
    Es war, als hätte dieser Satz eine Schleuse in ihr geöffnet. Sie sah ihren geliebten, mürrischen Onkel vor sich. Ein kleiner, dünner Mann mit kindlichen blaugrünen Augen, die meist verwundert in die Welt schauten. Pater Nau mit seiner grämlichen Miene und Worten, die die Schlechtigkeit der Welt beklagen. Das Paterchen, ihr Paterchen, das versucht, heimlich eine volle Weinkanne in sein Studierzimmer zu schleppen. Der Pfarrer in der schwarzen Soutane, der mit brennenden Augen und ausholenden Gesten die armen Sünder der Stadt zu bekehren versucht. Ihr Onkel, der mit bloßen Füßen in dicken roten Wollsocken am Küchentisch sitzt und über Gustelies’ Reden kichert.
    Hella hatte nicht gewusst, wie sehr sie an ihrem Onkel hing, doch jetzt, mit einem Mal, wurde ihr klar, dass er ihr beinahe ein Vater war. Den eigenen, Richter Kurzweg, hatte sie viel zu früh verloren. Noch nicht einmal zehn Jahre alt war sie gewesen, als er starb. Von da an hatte Pater Nau sich ihrer angenommen. Und jetzt lag er elend in seinem Verlies, und nur Gott allein wusste, wie es mit ihm weitergehen würde.
    Ich muss zu ihm, dachte Hella. Das Bedürfnis, ihren Onkel zu sehen, war plötzlich übermächtig. Sie stand auf,

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