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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschlungen hatte. Einen Schal aus Kunstseide, gemustert mit einem persischen Motiv. Nur Putkin hatte kein Gefühl für diese Stunde, in der ein Mensch mit der Liebe betrogen wurde und deshalb glücklich starb … er rumorte auf der Ofenbank herum, kratzte sich die breite, behaarte Brust, schnaufte böse, als die anderen ihn strafend ansahen, und sagte schließlich:
    »Warum soll man leise sein wie ein Dieb? Operieren ist genauso eine Arbeit wie nach Öl zu bohren. Hat man jemals gehört, daß man beim Bohren auf Socken um den Bohrturm schleichen muß?«
    »Fertig –«, sagte die Susskaja, als sie die Wunde vernäht hatte. Serikow hatte sie die ganze Zeit über angesehen. Das wechselnde Licht störte ihn nicht mehr … kam die Dämmerung, so schwebte Katja wie ein Engel über ihm … strahlte die Helle, war sie wie von einem Sonnenkranz umflossen. Immer war sie herrlich, war die Erfüllung aller Träume, die Hoffnung auf das Leben.
    Dann wurde Serikow müde, die Augen fielen ihm zu, sein Mund klaffte auf, der Blutschaum hatte freien Lauf. Katja Alexandrowna trocknete den Gaumenraum mit einem Teil der Binden aus, die Andreas gewickelt hatte. Für ein Verbinden der vernähten Wunde brauchte man sie nicht mehr … als er die Binden hinhielt, schüttelte sie langsam den Kopf.
    »Lassen wir ihn auf dem Tisch?« fragte Morotzkij.
    »Ich kann nie wieder von ihm essen, wenn ein Mensch darauf gestorben ist«, stotterte Nadeshna. Sie war bleich und zitterte am ganzen Körper.
    »Welch ein dämliches Luder!« rief Putkin. »Sie kann nicht mehr davon essen! Weißt du, in wie vielen Betten du schon gelegen hast, in die irgendeiner seinen letzten Schiß getan hat? Was sie glotzt! Semjon Pawlowitsch, halt sie fest, sie fällt gleich um! Welch ein Seelchen! Verteilt Bibeln bei den Bauern und weiß nicht, daß in Betten Menschen sterben! Ein Beweis mehr von der Unzulänglichkeit dieser reaktionären Religion.«
    »Er bleibt auf dem Tisch!« sagte die Susskaja so laut, daß Putkins Redeschwall sofort verstummte. Und dann leiser: »Er schläft jetzt … und er wird nicht wieder aufwachen …«
    »Darf ich beten?« fragte Nadeshna zaghaft.
    Sie wandte sich dabei zu Katja Alexandrowna, aber aus den Augenwinkeln schielte sie zu Putkin hinüber.
    Igor Fillipowitsch grunzte laut. Man weiß ja nun, daß er kein feiner Mensch war, aber war es nötig, jetzt wieder einen kräftigen Wind streichen zu lassen und hinterher genußvoll »Amen!« zu sagen? Nadeshna zuckte zusammen, ging hinüber zu dem schlafenden Serikow und faltete die Hände.
    »Auch das war Gottes Wille, Menschen mit dem Gemüt von Säuen zu machen –«, sagte sie laut. »Man muß es ertragen.«
    »Bravo!« rief die Susskaja. Putkin antwortete nichts. Er zog sich aus, was er immer tat, wenn er schlafen wollte, legte sich auf seinen Fellmantel neben den Ofen und drehte sich auf die Seite. Sein dicker, nackter Hintern wölbte sich mächtig in das trübe Licht, das vom offenen Feuer her den Raum erhellte. Man hatte keine Kerzen mehr, die von Väterchen Kyrill mitgegebenen echten Bienenwachsstangen waren verbraucht … das flammende Holz war die einzige Lichtquelle. Putkin und Andreas hatten zwar sehr harzhaltige Äste aus dem Wald mitgebracht, um sie als Fackeln abzubrennen, aber bald gab man das auf. Es stank und qualmte fürchterlich, man mußte mehrmals lüften, und was der Ofen an Hitze ausgestrahlt hatte, wurde dann von der hereinflutenden eisigen Kälte wieder aufgesaugt.
    Nadeshna verrichtete ihre Gebete und legte sich zu Morotzkij, der das Nachtlager bereitet hatte. Vorher hatte er noch Maruta, seine Elchkuh, besucht, sich mit ihr unterhalten, was ›rouh-rouh‹ in verschiedenen Tonarten und Höhen bedeutete, hatte sie gefüttert und gestreichelt und ihr in die großen Lauscher gesagt: »Du wirst uns zurück zu den Menschen bringen, mein Liebling, nicht wahr? Du kennst den Weg aus diesem mistigen Wald. Nächste Woche werden wir dich an einen Sattel gewöhnen. Du wirst meines Wissens die erste Elchkuh sein, die einen Sattel tragen wird. Brave Maruta, braves Tierchen. Rouh-rouh …«
    Dann schliefen sie alle, auf ihre Plätze verteilt, wie seit Wochen. Oben auf dem Ofen lagen nackt Andreas und Katja Alexandrowna, und es war wirklich nur ein Zufall, daß in dieser Nacht Jekaterina vorne lag und Andrej hinten an der Hüttenwand.
    Der einzige, der nicht schlief, war General Serikow. Er lag bewegungslos auf dem Tisch, auf dem er sterben sollte, der Schmerz war erträglich, er

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