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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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atmete so wenig und so flach wie möglich, um die Blutblasen nicht wieder in den Mund zu bekommen, und er wußte, daß Katja Alexandrowna ihn zum zweitenmal belogen hatte. Er war nicht gerettet, er würde nicht überleben … er war in den Augen der anderen schon tot.
    Nur weil Putkin einen gewaltigen Schnarchton ausstieß, fuhr die Susskaja aus dem Schlaf empor und beugte sich über den Ofenrand. Sie hatte einen Schuh ergriffen, holte schon aus und wollte ihn auf Putkin schleudern, als ihr Blick hinüber auf den Tisch in der ›schönen‹ Ecke fiel. Ihr erhobener Arm erstarrte wie plötzlich versteinert.
    Serikow war vom Tisch gerutscht. Er stand, nach vorn gekrümmt, die linke Hand gegen die Wunde gepreßt, und lehnte sich gegen die Plattenkante. Er sah erbärmlich aus in seiner Nacktheit, und der Feuerschein, der vom Herd herüberleuchtete und diese nackte Gestalt umflackerte, verstärkte noch das Schauerliche der Erscheinung. Was aber Serikow zu einem gefährlichen Gespenst machte, war die schwere Armeepistole, die er in der rechten Hand hielt. Keiner hatte daran gedacht, sie wegzustecken … sie hatte neben Serikows Pelz auf der Bank gelegen, geradezu lockend griffbereit, und stundenlang hatte Serikow sie angestarrt, bis er die Kraft fand, diese letzte Kraft des Hasses, sich vom Tisch rutschen zu lassen und sie an sich zu nehmen.
    Jetzt sammelte er erneut Kraft, um die paar Schritte zu tun, die ihn vom Ofen trennten. Dort oben lagen Katja und Andrej in schamloser Nacktheit, lagen vor seinen Augen, als hätte es ihn nie gegeben … eine Russin mit einem Deutschen, zwei Menschen, die einen sowjetischen General vernichtet hatten und nicht wert waren, zu leben.
    Seine Brust war schwer wie ein Mehlsack und zog ihn nach vorn. Das ist das Blut, dachte er. Das viele geronnene Blut. Klumpen von Blut. Und es hört nicht auf zu fließen, es rinnt und rinnt … ich löse mich nach innen auf. Aber dieses bißchen Kraft habe ich noch, die Pistole zu heben und zweimal abzudrücken. Diese Kraft habe ich noch!
    Er schwankte vorwärts, nach vorn gekrümmt, und jeder Schritt war das Wegstemmen von Zentnerlasten. Wie habe ich Jekaterina Alexandrowna geliebt, dachte er. Ein Mann, der in diesen Armen gelegen hat, kann das nie vergessen.
    Er stand vor dem Ofen und hob langsam, unendlich mühsam, den Kopf. Die Augen der Susskaja waren nahe vor ihm, große, schwarze Höhlen, in denen der Widerschein des Herdfeuers flackerte. Dann erkannte er ihr Gesicht, dieses aus Europa und Asien gemischte Traumbild, in dem die Wildheit des Sturmes und die traurige Weite der Steppe verewigt waren.
    »Katjenka …«, sagte Serikow mit schwerer Zunge. Das Wort blähte sich in einer Blutblase auf und zerplatzte vor seinen Lippen. »Kat …«
    Wortlos, mit weiten Augen, die ganze Kraft von Verzweiflung und Ausweglosigkeit hineinlegend, schlug die Susskaja mit dem Schuh zu. Sie traf Serikows Hirnschale, der Absatz krachte auf den Knochen, Serikow schwankte, die Pistole polterte zu Boden, und er wollte mit beiden Händen an seinen Schädel greifen. Aber zum zweitenmal und noch einmal schlug die Susskaja zu, die Kopfhaut platzte auf, ein Blutstrom rann über Serikows Gesicht, aus seinem Mund brach ein Röcheln … dann fiel er um und klatschte auf den nackten Putkin.
    Mit einem Fluch zuckte Putkin hoch. »Ha!« brüllte er noch im Halbschlaf. Er griff um sich, fühlte nacktes Fleisch und brüllte wieder. »Wer ist die Hure?«
    Auf dem Ofen kniete die Susskaja und drückte den blutigen Schuh gegen ihre Brust. Andreas hatte sie von hinten gepackt und zurückgerissen. Neben dem Ofen krochen Nadeshna und Morotzkij zur Wand und sprangen dort auf.
    Putkin schleuderte Serikow von sich weg, gab ihm einen Tritt und war dann so schnell auf den Beinen, als habe er Federn unter den Sohlen.
    »Er wollte mich töten!« schrie er. »Seht euch das an! Er wollte …« Erst dann sah er, daß er einen Toten weggetreten hatte und daß sein Körper mit dem Blut des Generals bespritzt war. Er starrte wild um sich, spreizte die Hände und benahm sich wie ein Hund, der das Wasser aus seinem Fell schüttelt.
    »Ich habe ihn erschlagen wie eine Ratte –«, sagte die Susskaja tonlos. »Mit einem Schuh erschlagen … wie eine Ratte …«
    Morotzkij kam aus seiner Ecke gehumpelt, bückte sich und hob die schwere Armeepistole auf. Er hielt sie hoch, und jeder verstand, was das bedeutete.
    »Sie haben sich nur verteidigt, Jekaterina Alexandrowna –«, sagte er dabei. »Keiner wird

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