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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Läusepack! Man muß sich schämen, mit euch zu sprechen!«
    Putkins Kampf mit seinem Bart hatte bereits in der Nacht begonnen. Er hatte Serikows Gepäck, das er bis auf die Lebensmittel in Verwahrung hielt, durchwühlt und gefunden, was er suchte. Ein General ist ein kultivierter, anständiger Mann, auch wenn er mit einem entführten Flugzeug in die Taiga fliegt. Als solcher hat er ein komplettes Rasierbesteck bei sich: Pinsel, Seife und einen Klingenapparat, sogar einen Spiegel, den man mittels eines verchromten Drahtbügels aufstellen kann. Es stellte sich heraus, daß Serikow auf dem neuesten Kulturstand gewesen war – er besaß einen Rasierapparat modernster Prägung. Und der Spiegel – o Genossen – hatte zwei Seiten, eine normale und eine, die vergrößert.
    Als Putkin hineinschaute – und er hatte ahnungslos die Vergrößerungsseite aufgestellt – prallte er entsetzt zurück, denn was ihm entgegenschaute, war eine riesige, rote, großporige, mit Haarbüscheln überwucherte Nase.
    »Das ist nicht möglich!« sagte Putkin erschüttert und tastete nach seiner Nase. Er fand sie normal, durchaus nicht unmäßig vergrößert, aber da Spiegel nicht irren, mußte sein Tastsinn in Unordnung geraten sein. Er biß die Zähne zusammen, schob das Gesicht wieder in den Spiegelbereich und starrte hinein.
    Augen, so groß wie Suppenteller. Ein Haarwald, dick wie ein Dschungel. Die Nase wie eine urweltliche Keule.
    »Zum Teufel, bist du ein Scheusal, Igor Fillipowitsch!« sagte Putkin zu seinem Spiegelbild. »Man muß Nadeshna um Verzeihung bitten. O je, ist das ein Anblick!«
    Auch als er erkannte, daß die andere Seite des Klappspiegels sein normales Gesicht zeigte, blieb die Erschütterung über sich selbst in ihm. Zwar war jetzt alles kleiner, aber deshalb nicht weniger häßlich. Er verstand, wie der Anblick sein mußte, wenn dieses Gesicht so nahe an dem zarten Köpfchen eines Engelchens wie Nadeshna lag, wie es der Fall war, wenn man aufeinanderlag und sich abküßte. Er begriff die geradezu ungeheuerliche Beherrschung, die man aufbringen mußte, diese geballte Häßlichkeit zu streicheln, mit den Lippen zu berühren, zu kosen und lustvoll in sie hineinzustöhnen. Daß es Nadeshna vierzehnmal gekonnt hatte, erschien ihm jetzt wie ein Wunder. Gegen das, was er nun so klar in Serikows Spiegel sah, war das Gerippe Morotzkij fast von der lichten Schönheit eines Märchenprinzen.
    Hat schon jemand versucht, einen Haarwald wie den von Putkin, in Monaten wild gewachsen, abzutragen? Haare wie Eisenstoppeln, dick und riesig wie alles an diesem Klotz von Menschen? Was ist da ein modernes Rasierapparätchen mit einem dünnen, wenn auch scharfen Messerchen? Ein lächerliches Ding, sage ich euch, ein Spielzeug.
    Putkin begann mit der Schur, wie man ein gut gemästetes Wollschaf schert. Mit einer langen Schere aus dem Werkzeugkasten des Flugzeuges schnitt er erst die gröbsten Haare ab. Dann begann er die Feinarbeit, noch immer mit der Schere, schnippelte an sich herum, so nahe an der Haut entlang, wie es vertretbar war, ohne sich zu verletzen, und seifte sich erst darauf gründlich ein, ließ den Schaum einwirken, schäumte noch einmal nach und setzte den Rasierapparat an.
    Er machte es gründlich, rasierte sich dreimal, wusch sich dann den Kopf in einem Fellsack mit heißem Wasser und ließ sich am heißen Ofen trocknen.
    »So!« sagte er, strich um den aufgestellten Spiegel herum wie eine Katze um eine Schüssel süßer Milch und setzte sich so langsam, als habe er auch seinen Hintern rasiert und sich ausgerechnet dort tief geschnitten. »Jetzt wollen wir einmal sehen, wie häßlich du wirklich bist, Igor Fillipowitsch. Die Menschen sind eine Bande, sage ich dir! Niemand hat dir jemals zugezwinkert und dich beiseite genommen, und dir zugeflüstert: ›Brüderchen, du solltest etwas für dein Äußeres tun. Die Weiberchen fallen ja um, wenn sie dich anblicken.‹ Nein, da war keiner da, der so freundlich gewesen wäre. Wie kann man das selbst merken, wenn es einem niemand hinterbringt? Da läuft man durch die schöne Welt und ist selbst ein Ausbund von Häßlichkeit. Igor Fillipowitsch, du hast an Nadeshna eine ganze Weltanschauung gutzumachen.«
    Er holte den Spiegel heran, atmete tief auf und blickte wieder hinein. Es war ihm, als verlese man ein Urteil: Verdammt für alle Zeiten wegen unheilbarer Häßlichkeit.
    Aus dem Spiegel sah ihm ein fremder Mensch entgegen. Ein zwar kräftiges, aber glattes, etwas gerötetes Gesicht

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