Die Verdammten der Taiga
–«, sagte Morotzkij wieder. Er stand mit Nadeshna im Pferch und putzte Maruta das Fell. »Du kannst schon überlegen, was wir mitnehmen. Wir werden den Fluß entlangreiten, das ist der sicherste Weg.«
Und Nadeshna nickte wieder, blickte über die donnernden und sich übereinander schiebenden Eisschollen und schwieg.
Der warme Wind blieb ihr Freund.
Der Schnee taute schneller, als selbst Putkin es mit allem Optimismus erwartet hatte. Das Eis auf dem Fluß, in den letzten Tagen von der Gewalt des sich befreienden Wassers Scholle um Scholle aufgeschichtet wie ein weißes Gebirge aus Terrassen, trieb stromabwärts, zuerst träge, dann sich drehend wie verrückte Kreisel, die Ufer rammend und Wunden in die Erde schlagend. Putkin stand oben auf der flachen Böschung, schüttelte die Fäuste und brüllte, als drehe man ihn am Spieß.
»Der Mistfluß!« schrie er und rannte herum mit fuchtelnden Armen. »Er reißt mir mein Gold weg! Er macht uns arm, Andrej! Sieh dir das an! Ganze Fetzen frißt er aus dem Land! Und da ist Gold drin … unser Gold!« Er raufte sich die Haare und bedauerte jetzt, daß er sie sich gestutzt hatte und nur noch an kurzen Strähnen ziehen konnte.
Die jahrhundertealten Bäume, wahre Türme von Kiefern und Fichten, erwachten aus ihrer Erstarrung. Der Wind begann, ihre vom Frost befreiten Zweige zu bewegen, es rauchte wieder in der Taiga, der Wald begann zu singen, tief und kraftvoll wie ein Chor von tausend Popen in der Ostermette. Haselhühner und Wildgänse flatterten über den Fluß, in den Fallen hingen jetzt Marder und schöne, dicke Füchse, graugrüne Märzenten wasserten zwischen den polternden Eisschollen, und ein Schwarm Mandarinenten, mit in der Sonne blitzendem und schimmerndem Gefieder, umkreiste die beiden Blockhütten am Ufer. Andrej und Putkin brauchten nur in die Luft zu schießen … sie trafen immer, so reich war der Segen des Frühlings. Sogar mit Serikows schwerer Militärpistole, der Tokarew, holte Putkin mühelos einen Goldfasan herunter, der mit einem flammend roten Schopf neugierig an der Böschung vorbeirauschte.
»Für Nadeshna –«, sagte er zu Andrej, als sie den Goldfasan aus dem Gestrüpp holten, in das er hineingefallen war. »Ich werde aus seinen schönsten Federn für Nadeshna einen Hut machen. Glotz mich nicht so an, Andrej. Haben sie dir auch gesagt, daß sie wegreiten? Ein Wahnsinn ist das! Semjon Pawlowitsch kennt sich mit der Psyche der Tiere aus, aber Taigaerfahrung hat er keine. Und Nadeshna, was weiß sie, welche Gefahren auch dieser schneefreie Wald birgt? Eine Lehrerin ist sie, eine Theoretikerin … und will mit einer Elchkuh die weite Einsamkeit durchbrechen! Kannst du sie nicht zurückhalten? Andrej? Auf dich hört sie …«
»Ich habe es versucht, Igor Fillipowitsch.« Andreas hämmerte weiter an seinem linken Schwimmer herum. Das Flugzeug war wieder flugtüchtig, der Motor hatte den Winter überlebt … Putkin hatte ihn ganz kurz angeworfen und durchdrehen lassen. Ein wundervoller Klang, ein sattes Donnern, das in ihrer aller Ohren wie Fanfaren klang: Freiheit! Freiheit! Freiheit! »Sie antwortet überhaupt nicht. Sie ist wie hypnotisiert, seitdem sie weiß, daß es nur noch Tage sind, bis sie wegreiten.«
Er blickte zu Putkin hinauf. Der Riese, das jetzt immer glattrasierte Gesicht mit Dreck beschmiert, weil er gerade von seiner Goldabraummaschine herübergekommen war, nagte an der dicken Unterlippe. Er litt innerlich ungeheuer unter der bevorstehenden Trennung von Nadeshna. Andreas erwartete jeden Tag eine Katastrophe, die nur so aussehen konnte, daß Putkin in einem Anfall von Leidenschaft Morotzkij kurzerhand umbrachte.
Die Erde weichte auf, wurde schlammig und schwappte unter den Sohlen. Jetzt sah man auch, daß gegenüber einige kahle Flecken im Wald tatsächlich Moor waren, wie Putkin es geahnt hatte. Das bedeutete, daß dort bald ein reges Tierleben erwachen würde, daß Biber und Bisamratten auftauchen würden, ein vor der Nase lebendes Kapital, denn in den Fellsammelstellen und Faktoreien, die von den jakutischen Jägern besucht wurden, zahlten die staatlichen Aufkäufer 2 Rubel für ein ungegerbte Bisamfell. In den Zirbelkiefern turnten schon die Eichhörnchen, und an einem frühen Morgen, als Andreas sich im Fluß an einer strömungsschwachen Stelle wusch, sah er ein Rudel von sieben Wölfen ohne Scheu und anscheinend auch satt vorüberziehen. Und gegen Mittag landeten im Fluß eine Menge Krickenten.
»Der Tisch ist
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