Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
stummen Schrei. »Igor Fillipowitsch ist tot?« röchelte sie.
    »Er hat seine Seele herausgeweint … in diese Hand hat er sie hineingeweint, auf der jetzt deine göttliche Lüge liegt! Zerbrich sie!« Die Stimme der Susskaja klang wie Peitschenschläge, die Worte klatschten und knallten auf Nadeshna nieder. Andrej stand am Ofen und erkannte sie nicht wieder … es war wieder eine jener Stunden, in denen er sich fragte, wie viele Gesichter und Welten in dieser einen Frau vereinigt waren.
    Nadeshna nickte. Sie fiel auf die Knie, die Susskaja kippte die Hand, das Jesuskind fiel auf Nadeshnas Kopf, rollte über ihr Gesicht in ihre wie Schalen aufgeklappten Hände, und wie sich die Türen einer Gruft schließen, klappten die Hände zu. Ein ganz leises Knirschen nur war zu hören, ein Laut wie ein winziges Seufzen … dann sank Nadeshna um, wälzte sich auf das Gesicht, drückte die geschlossenen Hände gegen ihren Mund und begann zu schreien.
    Es war nur ein einziger, langgezogener Schrei, der plötzlich abbrach, wie mit einem Messer abgetrennt. Der schmale Körper streckte sich. Nadeshna war ohnmächtig geworden.
    »Warum hast du das getan, Katja?« fragte Andreas heiser. »Mein Gott, wie konntest du so grausam sein?«
    »Geh hinaus und kümmere dich um deinen Freund Putkin!« sagte sie, nahm das Mutter-Gottes-Bild mit den schiefen Brüsten von der Wand und warf es über Nadeshna. »Dann verstehst du es –«

XXIX.
    Das Festessen zur Einweihung von Putkins ›Kreml‹ fand natürlich statt. Bei aller verschmähten Liebe und allem Seelenkummer, man konnte doch die so herrlich duftenden Speisen nicht verkommen lassen, und sie wieder einfrieren war eine Qual für Gaumen und Magen.
    Putkin war ein fröhlicher, dröhnender, saufgieriger Gastgeber.
    Mit keinem Wort, mit keinem Blick, mit keiner Bewegung zeigte er seinen Kummer. Hörte er Nadeshnas helle Stimme, mußte er ein Zähneknirschen verbeißen, leuchtete der Schein der Fackeln oder des Herdfeuers über ihr wie Gold aufblitzendes Haar, mußte er wegsehen und in eine dunkle Ecke starren. Ganz schlimm wurde es, als Morotzkij, voll des Weines (die letzten Flaschen aus Makar Lukanowitschs heimlichem Besitz) und des ungewohnten Wodkas, Nadeshna um die Hüfte nahm und mit ihr zu tanzen begann, während die Susskaja und Andreas die Melodie summten. Er hüpfte wie ein Bock mit ihr herum, was er Walzer nannte, wackelte auf seinem verkürzten Bein, und es war verwunderlich, daß bei soviel Bewegung nicht seine Knochen klapperten oder dieses ganze lange Gerippe einfach aus den Fugen sprang und in der Pergamenthaut zusammenfiel zu einem Häufchen.
    Ab und zu ging Putkin hinaus und stellte sich draußen in den erbarmungslosen Frost, ohne Mantel, ohne Mütze, nur so, wie er war, und starrte über den Fluß und in den schweigenden, schneebegrabenen Wald hinein. Andrej folgte ihm dann immer und boxte ihm in den Rücken, die einzige Art, mit Putkin unter Freunden zu reden.
    »Du kommst darüber hinweg, Igor Fillipowitsch«, sagte er jedesmal.
    Und jedesmal antwortete Putkin dumpf: »Ich glaube es nicht, Söhnchen.«
    »Die Welt besteht nicht nur aus Nadeshna.«
    »Die andere Welt habe ich bis zum Kotzen satt. Der General hat es gut. Er ist von Jekaterina Alexandrowna erlöst. Andrej, ich kann ihn jetzt verstehen. Wenn er Katja so geliebt hat wie ich Nadeshna … und sie ist ihm weggelaufen, um mit einem herumstrolchenden Deutschen zu huren …«
    »Danke, Igor Fillipowitsch.«
    »Versteh mich, Söhnchen. Ich habe nichts gegen dich. Im Gegenteil, ich habe dir einen Platz in meinem Herzen eingeräumt. Aber die Sache mit Katja, sie war gemein. Ich kann das jetzt begreifen.«
    »Ich habe nichts dazu getan. Katja ist von selbst gekommen.«
    »Ist das eine Entschuldigung? Ein Hund wedelt mit dem Schwanz und sagt hinterher: Kann ich dafür, daß mir die Hündinnen nachlaufen, nur weil ich mit dem Schwanz wedele? So primitiv ist das Leben nun doch nicht.«
    Aber auch dieser Tag ging zu Ende.
    Da Nadeshna die heilige Handlung des Feueranzündens nicht mehr übernehmen konnte, machte es Andrej, und Putkin stand breit und groß vor seinem langsam sich erwärmenden Riesenofen und hörte die Scheite knacken und die Steine stöhnen, wenn sie sich mit Hitze aufluden. Die Geschenke wurden abgegeben, Nadeshna und Morotzkij brachten das Festessen hinüber, dann folgten die Sauferei und der Tanz und schließlich das unvermeidliche Ende, an dem Andrej und Katja den volltrunkenen Morotzkij unter den

Weitere Kostenlose Bücher