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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unendlichen Himmel über mir –«
    »Das ist das wahre Rußland, Nadeshna.«
    »Das redet ihr euch ein! Ihr spielt auch selbst das unglaubwürdigste Theater vor und klatscht den Beifall. Ihr belügt euch doch alle. Ihr wollt hier weg wie ich und Semjon … nur habt ihr keine Maruta, die euch wegträgt. Warum heuchelt ihr bloß so gemein …?«
    Sie sprang auf und lief aus dem Haus. Andrej, der hinter ihr her wollte, wurde von der Susskaja an der Jacke festgehalten. »Laß sie –«, sagte sie und lächelte. »Ich habe sie nur provoziert, damit sie einen Grund hatte, wegzulaufen. Du bist auch nur wie andere Männer: Das Herz einer Frau ist für euch ein Labyrinth, in dem ihr euch heillos verirrt –«
    Putkin lag nackt auf seinem breiten Ofen und schlief. Nachdem er die Ikone verbrannt und Gott einen Verräter geschimpft hatte, war ihm leichter geworden. Er fiel schnell in einen tiefen Schlaf, traumlos und ruhig, die einzige Gnade, die man ihm zuteil werden ließ.
    Irgendwann in dieser Nacht wachte er auf, weil ihn etwas beengte. Er grunzte, tastete nach seiner Brust, auf der etwas Schweres lag wie ein gefällter Baum, aber was ihm da den Atem abdrückte, war kein Stamm, sondern er griff in glattes, festes Fleisch, in seidige Wärme, in herankriechendes atmendes Leben, eingehüllt in den Pfirsichduft sehnsüchtiger Haut.
    Nadeshna, wollte er sagen. O Himmel, Nadeshna … aber eine Hand legte sich auf seinen Mund, und ihre kleine, zarte, kindliche Stimme flüsterte ihm zu: »Sei still, du Bär, sei bloß still … Kein Wort … kein Wort …« Spitze Zähne knabberten an seinem linken Ohr, ein Mund tastete ihn ab, ein Atem, köstlicher als der wärmste Frühlingswind, der die Knospen auftreibt, wehte über ihn … er blieb langgestreckt und unbeweglich liegen und seufzte nur auf, als sie, auf ihm hockend, von ihm Besitz ergriff und ihr helles, piepsendes Stöhnen die Dunkelheit ausfüllte wie mit hingestreuten, winzigen, goldenen Sternen …
    Am nächsten Morgen, nach einem kräftigen Frühstück aus Hasenbraten und einer Dose Bohnen aus Serikows Beständen, sattelte Morotzkij zum letztenmal im Pferch seine dressierte Elchkuh Maruta.
    Nadeshna hatte das Gepäck vor das Haus getragen … nicht viel, nur ein paar Lebensmittel, meistens gebratenes, haltbares Fleisch und fünf Büchsen mit Gemüse und eingekochter Leberwurst. »Nimm sie mit –«, hatte die Susskaja gesagt. »Wir werden hier nie verhungern. Die Braten fliegen uns ja in den Mund, und im Fluß wimmeln die Fische, als gäbe es in Sibirien nur dieses eine Wasser …«
    Und Andreas sagte: »Wir werden deine herrlichen Blinis vermissen, Nadeshna. Und wie du eine Schneehuhnbrust in Kräutersoße machst … das ist unvergeßlich.« Dann schwieg er. Aus Putkins dunklem Haus schallten gewaltige Hammerschläge … er schlug auf irgend etwas drauf, mit all seiner ungeheuren Kraft, um seine Verzweiflung zu betäuben.
    Morotzkij kam um das Haus herum. Der Pferch stand offen, Maruta war gesattelt, und Semjon Pawlowitsch hockte auf ihr, als habe man ein Gerippe festgebunden. Sein langes trauriges Gesicht mit der einfachen, runden, dämlichen Brille war noch länger als gewohnt, er hatte den Pelz um die knochigen Schultern gelegt, die Fellkappe weit in den Nacken geschoben und schnalzte anfeuernd mit der Zunge, aber es klang, als spucke er seine ganze Traurigkeit aus. Vor dem Haus hielt er, bewegte sich nicht aus dem Sattel und sah schweigend zu, wie Andrej das Gepäck hinten an die dafür angenähten Lederschlaufen band und dann Nadeshna in den Sattel hob. Als sie hinter Morotzkij saß und sich an ihm festklammerte, sank ihr Kopf nach vorn gegen seinen Rücken, sie vergrub das Gesicht in den Pelz und begann zu weinen.
    »Reitet los!« sagte die Susskaja rauh. »Los, Semjon Pawlowitsch, gib Maruta einen Tritt in die Weichen. Haltet euch nicht auf mit dem Abschied. Viel Glück!«
    »Ich werde euch nie vergessen!« sagte Morotzkij tonlos. Er schluckte bei jedem Wort, denn seine Stimme schwamm in Tränen. »Sehen wir uns im Leben einmal wieder? Wo werde ich euch finden, wenn ihr aus dieser Hölle herausgekommen seid?«
    »In Deutschland.« Andrej legte den Arm um Katjas Schulter. Ihr runder, praller Busen sprengte fast die Bluse. Den Rock hatte sie erweitert mit dazwischengesetzten Fellstücken, sonst hätte sie bei dieser Fülle nackt gehen müssen.
    »Wir werden in Essen wohnen. Dort habe ich meine Anstellung als Ingenieur.«
    Morotzkij sah ihn lange an. Hinter seinen

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