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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gedeckt!« sagte Putkin. Er war aus seinem ›Kreml‹ gekommen, eine Axt und eine Schaufel auf dem Rücken. Katja Alexandrowna stand vor der Hütte an einem neu gezimmerten, langen und schmalen Tisch und sezierte mit Skalpell und Klemmen zwei Füchse und einen Luchs, den Andreas gestern geschossen hatte, als er sich zu der ängstlich schnaubenden Maruta schleichen wollte. Morotzkij schlief da noch und war außer sich, als Andreas das berichtete.
    »Ich nehme sie wieder in die Kammer!« rief er und hinkte erregt hin und her. »Ich habe sie nicht sechs Monate lang abgerichtet, damit sie jetzt gefressen wird! Ihr könnt machen, was ihr wollt … ich nehme sie ins Haus!«
    »Ist sie verrückt?« fragte Putkin jetzt und zeigte hinüber zu der Susskaja. »Obduziert sie jetzt Tiere? Ich habe es doch geahnt – sie kann ohne Messer in der Hand nicht leben.«
    »Sie präpariert die Sehnen heraus und will mit ihnen nähen«, sagte Andreas. »Ein guter Gedanke, wenn man kein Garn hat. Wir sollten uns ansehen, Igor Fillipowitsch: Spätestens im Sommer fallen uns die Kleider vom Leib. Es sind ja nur noch Fetzen.«
    »Komm mit –«, sagte Putkin und wandte sich zum Gehen.
    Andreas blieb stehen. »Wohin?«
    »Über den Fluß. Serikow taut auf. Wir müssen ihm ein anständiges Grab machen. Hast du schon mal einen Menschen gesehen, der unbeerdigt verwest? Nein? Sei froh drum, mein Söhnchen! Es dreht einem den Magen herum, aber auch das Kotzen hilft nicht mehr. Wir haben durch Zufall mal einen gefunden, oben in Nowo Susskeist. Muß ein Jäger gewesen sein, den der Schneesturm überrascht hat, bevor er in seine Schutzhöhle flüchten konnte. Als wir ihn im Sommer bei der Wanderung zu einem Bohrgebiet fanden, saßen die Schmeißfliegen auf ihm wie eine schwarze klebrige Wolke. Irgendein Biest hatte ihm das rechte Bein abgefressen, der Leib war aufgebissen und die Gedärme herausgezerrt. Seitdem bin ich dafür, Tote zu beerdigen.«
    Andreas blickte über den gurgelnden Fluß. Die Eisschollen tanzten, sie waren noch dick und fest, aber in der Mitte hatte die Strömung sich schon freie Bahn gerissen.
    »Du willst jetzt über den Fluß?« fragte er unsicher.
    »Warum nicht? Morgen sieht er schon wieder anders aus. Bist du ein lahmer Esel? Wir werden von Eisscholle zu Eisscholle springen. Los! Wenn du in die Hose machst, kannst du sie im Fluß gleich auswaschen.«
    Er sprang voraus mit einer Eleganz, die Andreas sprachlos machte. Leichtfüßig, für einen so klobigen Bären wie Putkin geradezu schwebend, turnte er von Scholle zu Scholle, ohne auszugleiten, obwohl sie durch das Tauwetter naß und damit doppelt glatt waren, benutzte Schaufel und Axt als Balancestangen und stand dann an der Strömungsrinne, wo der befreite Fluß brausend dahinschoß und quirlige Wirbel von Wasser über die Schollen drückte.
    Andreas war ihm gefolgt. Er war nicht so standsicher, glitt ein paarmal aus, rutschte über einige Eisschollen bis an den Rand des Wassers und fing sich in den letzten Zentimetern immer wieder. Zum Glück bemerkte Katja, ganz in ihre Sezierarbeit vertieft, diese wahnwitzige Wanderung erst, als Nadeshna aus der Hütte kam, die Hände vor den Mund schlug und vor Entsetzen nur noch seufzen konnte.
    Die Susskaja ließ Skalpell und Klemmen fallen, warf die Arme hoch empor und schrie auf. »Zurück! Andrej, bist du wahnsinnig? Zurück!« Ihr hoher, schwerer Leib, in dem das Kind sich schon zu senken begann, bebte und zitterte, als sei sie von Krämpfen durchschüttelt. Vom Pferch humpelte Morotzkij herbei, warf seine Mütze in die Luft und rief: »Sie haben wirklich den Verstand verloren! Was wollen sie denn jetzt auf der anderen Seite?« Und um das Chaos voll zu machen, sank Nadeshna gegen die Wand, einer Ohnmacht nahe, und stammelte, nur für Katja hörbar: »Gott, mein Gott, laß Putkin leben! Ich liebe ihn doch, ich liebe ihn …«
    »Hör nicht hin, Andrejenka!« knurrte Putkin, als Andreas endlich neben ihm auf der schwankenden Eisscholle stand. »Man kann ihnen ja nicht erklären, wie notwendig diese Tour ist. Ha, da kommt etwas, was uns fehlt. Andrej, verpaß sie nicht. Sie ist unser Trittbrett …«
    Eine breite Eisscholle trieb langsam durch die Strömung … sie war genau das Zwischenstück, mit dem man die Rinne überqueren konnte. Nur eines durfte man jetzt nicht: ausrutschen und in den Fluß stürzen.
    »Zuerst du«, sagte Putkin. »Wenn du dich dämlich anstellst, kann ich dich rausholen. Du mußt sofort weiterspringen …

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