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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erstickte. Sie aß einen Sterlet – Sie kennen diesen Fisch? – eine Gräte klemmte sich quer in die Luftröhre, und bis man einen Arzt im Lager hatte – der nächste Arzt wohnte in einer Siedlung, zweihundert Werst entfernt – war Pelageja längst blau und erstickt. Ich sage Ihnen: Ich habe mit dem Taschenmesser ihre Kehle aufgeschnitten. Ja, das habe ich getan. Eine kleine Gräte, verdammt, man wird doch an eine kleine Gräte herankommen, dachte ich! Wenn nicht von innen, dann von außen. Nur Luft muß sie haben. Luft! Mach ein Loch, schrie ich mich an. Igor, mach ihr ein Loch in den Hals, damit sie atmen kann … Zu spät, Andrej. Als sie dann dalag, blau, leblos, mit dem Loch in der Kehle, mußten sie mich mit fünf Mann festhalten, damit ich mir den Kopf nicht an der Wand einrannte.« Putkin gab nach zwei langen Zügen die Zigarette an Andreas zurück. »So war das mit der zweiten großen Liebe … und da fragen Sie Idiot mich, ob ich weiß, was Liebe ist –«
    Er drehte sich plötzlich um. Irgendein Gefühl saß ihm im Nacken. Er riß Andreas das Gewehr aus dem Arm und legte es an.
    »Sind Sie verrückt, Putkin?« schrie Andreas und erstarrte. »Geben Sie die Waffe her.«
    »Stoj!« brüllte Putkin im gleichen Augenblick. »Stoj, du Hundesohn! Stoj!«
    Andreas wagte einen verzweifelten Sprung. Putkin stand seitlich von ihm und zielte in den Wald. Aber bevor er gegen ihn prallte, drückte Putkin schon ab, der Schuß zerriß die weiße Stille, und irgendwo hinter den Bäumen antwortete ein leiser Aufschrei. Zusammen stürzten Putkin und Andreas in den Schnee und wälzten sich umeinander.
    »Sie entmannter Esel!« keuchte Putkin und stützte sich auf die Hände. »Dahinten liegt er! Kam herangeschlichen wie ein Füchslein! Sie haben natürlich wieder nichts gesehen! Lassen Sie mich los, Sie ausgeblasenes Faß!«
    Putkin schüttelte Andreas ab und erhob sich. Aus dem Wald, hinter dem Schleier aus Schneeflocken, drang das leise Wimmern eines Mannes zu ihnen herüber. Putkin lud das Gewehr wieder durch und hielt es schußbereit vor der Brust. Er war hinter einen Baum gesprungen und lugte um den Stamm herum.
    »Bleiben Sie liegen, Sie schielender Affe!« rief er Andreas zu, der sich aus dem zerwühlten Schnee schälte. »Den Kopf runter! Wenn er auch eine Waffe hat, kommt es jetzt darauf an, wer am besten trifft.« Er kniete sich hinter den Baum und schob das Gewehr vor. Das Wimmern gegenüber zerflatterte, dafür hustete jemand, als käme ihm die Lunge aus dem Schlund heraus.
    »Sie haben ihm einen Lungenschuß verpaßt –«, sagte Andreas und blieb im tiefen Schnee liegen. Er lag wie in einer tiefen Mulde aus weißen Gänsedaunen. Putkin schüttelte den struppigen Kopf.
    »Unmöglich. Ich habe auf das rechte Bein gezielt. Keiner hat eine Lunge in den Kniekehlen …« Er schoß noch einmal, jetzt hoch in den milchigen Himmel, und brüllte hinterher. »Komm heraus, du Halunke! Aus dem Versteck, los! Die Hände über den Kopf. Und wenn du nicht mehr gehen kannst, dann krieche! Dawai! Kommst du wohl her?!«
    Er schoß zum drittenmal, wieder in die Luft. Gegenüber bewegte sich ein Schneehaufen und schwankte durch die Bäume. Es war ein dürrer Mensch mit großen, dunklen Augen, einem stoppeligen Gesicht und einer Nase, die schief unter den Augen saß, als sei sie vor einiger Zeit zertrümmert worden und dann wieder so zusammengewachsen, wie's ihr gerade gefiel. Der Mensch trug eine Fofaika, jene gesteppte Wattejacke, wie man sie im Winter in Sibirien überall antrifft, und gute, elchlederne Hosen, aus einem einzigen riesigen Fell geschnitten, handgenäht mit dicken Stichen. Die Füße steckten in dicken, aus Leder und gedrehtem Bast geflochtenen halbhohen Schuhen, die mit Lederriemen festgebunden waren und über deren Rand dicke Fußlappen herunterhingen.
    Putkin hatte gut getroffen. Aus dem linken (nicht dem rechten) Bein rieselte Blut über das Elchleder, aber der Knochen schien nicht verletzt zu sein. Der Mann ging noch, konnte sich jedoch nur mühsam auf das Bein stützen und hinkte vor Schmerzen.
    »Stehenbleiben!« knurrte Putkin. Gegen den Fremden wirkte er wie ein Koloß, zwei Köpfe größer und doppelt so breit. Andreas hatte sich erhoben und tastete den Angeschossenen schnell ab. Er hatte keine Waffen bei sich, nur ein zweischneidiges Messer, das im Gürtel steckte. Putkin senkte das Gewehr und stützte sich auf den Lauf. Der Mann starrte ihn an mit jener flatternden Angst in den Augen, die jede

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