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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vernunft erwürgt.
    »Du wolltest stehlen, nicht wahr?« sagte Putkin böse. »Abwarten, bis es dunkel ist, und dann wegnehmen, was uns am Leben erhält.« Er packte den Mann, befühlte seine Armmuskeln und schnaubte durch die Nase. »Ein Schwächling! Der gleiche dünnblütige Kretin wie Morotzkij. Warum muß immer ich so ein Unglück haben?« Der Mann schwankte, das angeschossene Bein begann heftig zu zucken. Die Nerven meldeten sich. Der Mann verdrehte die Augen und knirschte mit den Zähnen. Dann überwand er alle Scheu, der Schmerz war stärker als alles andere, und er stützte sich schwer auf Putkin.
    »Weiß ich, wer ihr seid?« stöhnte er. »Woher soll ich das wissen? Gut denn, ihr habt mich erwischt. Liefert mich ab …«
    »Wo?« fragte Putkin ehrlich verblüfft.
    »Bei der Miliz, wo sonst?« Der Mann schwankte bedrohlich. Das Blut floß stärker aus der Wunde und rann jetzt als breiter Bach über die Elchlederhose in den linken Flechtstiefel. »Wenn ihr vom Suchtrupp seid …«
    »Sehen wir so aus, du Idiot? Mit zwei Frauen?«
    Der Mann antwortete nicht mehr. Er fiel plötzlich in sich zusammen, als sei er völlig entknocht. Andreas fing ihn gerade noch auf, ehe er in den Schnee rollen konnte. Putkin und er hielten ihn hoch und sahen sich an.
    »Die armen Hunde treffen sich immer«, sagte Putkin. »Man braucht nur zu den Abfallhaufen zu gehen. Los, legen Sie mir den Kerl auf die Schulter.«
    Sie hoben den Ohnmächtigen auf Putkins breite Schulter und stapften dann durch den weichen Schnee zurück zum Lager.
    Dort hatte man sich wie zur Verteidigung eingerichtet. Die Schüsse konnte sich keiner erklären … Fleisch brauchte man ja nicht, man hatte jetzt schöne, große, gefrorene Stücke des erschlagenen Renhirsches an Bindfäden rund um den Wagen hängen und brauchte sich keine Sorgen mehr zu machen, wie man soviel Fleisch haltbar machte. Hier half ihnen die sonst so grausame Natur Sibiriens: Sie wurde zum größten Eisschrank der Welt. In wenigen Tagen würden die Temperaturen auf zehn oder zwanzig oder gar dreißig Grad unter den Nullpunkt fallen … da blieb alles frisch, da verdarb nichts mehr. Nur das menschliche Herz wurde zu einem Kloß aus Angst.
    Das Lager unter den ausgespannten Zeltplanen war geräumt. Morotzkij, Nadeshna und die Susskaja lagen hinter dem fürchterlichen Karren, die Axt, Eisenrohre und Hämmer in den Händen, um sich gegen das Unbekannte mit aller Verzweiflung zu wehren. Benerian, den Irren, hatten sie an das linke Hinterrad gebunden … er saß da im Schnee, lachte in den grauenden Abend und rief Putkin entgegen:
    »Brüderchen, die Trommel gerührt! Zum Angriff! Urräääh!«
    »Wir haben ihn!« rief Putkin schon von weitem. »Katja, jetzt können Sie ärztlich tätig werden und beweisen, wie tüchtig Sie sind! Ich habe ihn ins Bein geschossen. Aber was wir da gefangen haben, ist kein Bär, sondern eine armselige Ratte.«
    Sie legten den Mann unter die Planen ans Feuer und zogen ihm die Lederhose aus. Sogar Nadeshna half mit, obgleich es kein heiliger Anblick ist, wenn man einem Mann die Hose auszieht, vor allem, wenn er darunter nichts mehr trägt.
    »Ein schmächtiges Kerlchen«, sagte Putkin denn auch. »Nadeshna Iwanowna, Sie sollten daraus keine vergleichenden Schlüsse ziehen …«
    »Sie bleiben ein großes Schwein«, sagte Nadeshna ruhig. »Sie können mich nicht mehr aufregen, Igor Fillipowitsch.«
    Die Wunde sah harmlos aus, aber so klein der Einschuß war, ein Löchlein nur, aus dem Blut floß, konnte er in ein paar Stunden zur Hölle werden, denn es gab keinen Ausschuß. Die Kugel steckte im Schenkel. Die Susskaja schob eine Decke unter den nackten Unterkörper des Mannes und holte aus dem Wagen ihre geheimnisvolle Arzttasche. Putkin wartete auf das Aufklappen der Tasche wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum auf die Enthüllung der Geschenke.
    »Mußten Sie schießen?« fragte die Susskaja. Sie steckte die Hände in den sauberen Schnee, wusch sie darin, hielt sie dann über die Glut des Feuers und bewegte ihr langen, kräftigen und doch zart wirkenden Finger, als spiele sie auf einem Klavier aus Luft.
    »Mit einem Schmetterlingsnetz hätte ich ihn nicht bekommen«, knurrte Putkin. Er kniete sich neben den Ohnmächtigen und sah die Susskaja fragend an. Auch die anderen knieten im Kreis um den Fremden und warteten. Was da vor ihnen lag, war ein ausgezehrter Körper mit einer fast ledernen Haut.
    Die Susskaja öffnete die Tasche, holte das in ein Segeltuch eingerollte

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