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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zerhackte. Man wunderte sich, daß es nicht laut dabei knackte.
    »Ich heiße Tichon Antonowitsch Priwalzew«, sagte der Verwundete. »Ein Name, der nichts sagt, nicht wahr? Warum auch? Ich bin ein Sträfling. Lager V/1.492 … eine Hölle, zwanzig Werst südlich von Nischni Popowka. Ich habe fünf Jahre in Nischni Popowka gelebt, fünf Jahre wie ein vergessener Mensch. Wißt ihr, was das heißt? Eine Laus ist ein Kapitalist dagegen! Eine Wanze ein König aus dem Märchenreich. Fünf Jahre ein Toter unter Toten! Da gelang es mir, beim Straßenbau auszureißen. Wohin? In die Taiga, dachte ich mir. Wo Wölfe, Bären, Hermeline und Füchse leben, kann auch ein Mensch leben. Man muß nur eines tun: keinem Menschen mehr begegnen. Ja, und so lebe ich nun. Ein einsamer, aber zufriedener Wolf. Der Wald ernährt mich … und ab und zu besuche ich die Holzfällerlager oder die Jagdzelte der Jakuten und ergänze meine Ausrüstung …«
    »Wie vornehm er sich ausdrückt!« schrie Putkin. »Er bestiehlt alle Welt, das ist es! Wie lange läufst du frei herum, he?«
    »Drei Jahre.« Priwalzew wischte sich die Lippen, der Rentierbraten war ein Genuß. Nadeshna hatte ihn mit der Brühe von Salzgurken gewürzt. Überhaupt Nadeshna! Seitdem sie bei Morotzkij unter der Decke lag und die magere Wärme des dürren Semjon Pawlowitsch aufsaugte wie eine Spinne das Blut ihrer Opfer, hatte sie sich verändert, betete nicht mehr abends und morgens bei Sonnenaufgang, sondern entpuppte sich als ein brauchbares Weibchen für tausenderlei Handreichungen.
    »Trotzdem sie eine Lehrerin ist«, mistete Putkin sie an. »Alle Achtung – sie wächst, je mehr der arme Morotzkij abnimmt. Nannte man früher so etwas nicht Vampir?«
    »Und wie soll's weitergehen?« fragte Putkin jetzt. Priwalzew hob die Schultern.
    »Ich bleibe in der Taiga. Wißt ihr, wie man entsprungene Häftlinge behandelt, wenn man sie wieder eingefangen hat? Ein Pferd mit durchgetrennten Beinsehnen ist noch ein Springwunder gegen das, was von uns übrigbleibt.«
    »Du hast keine Familie?« fragte Morotzkij.
    »Eine Frau und drei Kinderchen, o ja. In Schiganowa. Wer kennt Schiganowa? In der Ukraine liegt es, fast auf einem anderen Stern, so weit –« Er starrte ins Feuer und war nahe daran, zu weinen. Sein eingefallenes Gesicht zuckte mehrmals.
    »Sie haben mir nie geschrieben, Frauchen und Kinderchen, das heißt, ich habe nie einen Brief oder eine Karte bekommen. Und was ich geschrieben habe … wer weiß, ob es nicht im Lagerofen verfeuert wurde? Wer fragt denn danach? Für Schiganowa bin ich tot, und so soll's auch bleiben. Was ist ein einzelner Mensch in Rußland, Freunde? Dieses Land, und darin ein einzelner Mensch! Was will denn der?«
    »Jetzt sind wir sieben Menschen, Tichon Antonowitsch«, sagte Andreas.
    »Neun!« unterbrach ihn Putkin. »Katja und ich zählen doppelt.«
    »Gut, neun. Das ist wie zwei geballte Fäuste, Tichon. Mit denen müßten wir uns durch die Taiga boxen können. Wir nehmen dich mit.«
    »Und dann?«
    »Es gibt immer Möglichkeiten.«
    »Wo ist überhaupt deine Hütte?« fragte Putkin. »Los, führ uns zu deiner Hütte … dort wird es wärmer sein als unter diesem Planendach.«
    »Ich habe keine Hütte«, sagte Priwalzew gleichgültig.
    »Wie er lügt! Ist drei Jahre in der Taiga und hat keine Hütte.« Putkin packte ihn am Kragen und schüttelte ihn. »Erzähl das einem, der sich mit Schlamm wäscht! Die Hütte, Kerl! Mach das Maul auf!«
    »Ich schlafe in Höhlen oder unter Flechtdächern, glaubt es mir.« Priwalzew ließ sich schütteln und sank dann in sich zusammen, als Putkin ihn losließ. »Im Sommer ziehe ich umher, im Winter grabe ich mich ein wie der Bär. Ich bin ein Stück der Taiga geworden. Glaubt es mir …«
    Sie glaubten es ihm, nur Putkin nicht. Er rollte sich auf die Seite und stieß Andreas an, als sie später alle um das Feuer lagen und schliefen. Putkin sah verwegen aus in seinem Rentierfell, das er um sich geschlungen hatte.
    »Lassen Sie mal Katjas Brüste los, Andrej«, flüsterte er und schob den dicken Kopf näher. »Dieser Priwalzew ist der größte Gauner außer mir. Natürlich hat er eine Hütte, hier irgendwo, und wo die Hütte steht, gibt es auch Wasser. Wo Wasser ist, leben auch Tiere, und im Wasser wimmelt es von Fischen. Oh, diese sibirischen Flüsse! Man kann die Fische fast mit Schaufeln herausholen, so dicht sind die Schwärme. Das alles hat der Gauner für sich allein, und er verrät es nicht. Aber wir bekommen es

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