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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beide Hände unter Knie und Oberschenkel. Ganz vorsichtig. Und wenn Semjon brüllen sollte … hör es nicht. Nimm die Hände nicht weg!«
    Sie hoben Morotzkij ganz vorsichtig vom Eis, und es zeigte sich, daß selbst morsche Knochen schwer sein können, denn als sie ihn hoch hatten, war er schwerer, als alle vermutet hatten. Er hing in der Mitte durch, Katja hatte alle Mühe, die gebrochenen Beine abzustützen, Nadeshna schob ihre Arme unter die Oberschenkel, und auf Andreas lastete das gesamte Gewicht.
    Putkin atmete schwer und stieß die Atemwolken von sich wie eine Dampfmaschine. Er rang mit sich, war zutiefst beleidigt von Katjas Worten, aber als er sah, wie sich die drei abmühten, das zerbrochene Gerippe wegzuschleppen, sagte er einige unanständige Worte über gefühlsduselige Weiber und Männer, die nur unter Weiberröcken leben können, faßte dann Nadeshna an den Schultern, zog die Widerstrebende weg und griff selbst zu. Seine breiten Hände waren wie eine Trage … Morotzkij lag auf ihnen bequem und schmerzfrei. So erreichten sie wieder das Ufer. Nadeshna breitete eine Decke über den trockenen Schnee, und vorsichtig ließen sie Morotzkij nieder zur Erde.
    »Danke –«, sagte die Susskaja, als Morotzkij so gut gebettet war, wie es im Augenblick möglich war. »Lassen Sie sich nicht aufhalten von vereisten Gehirnen. Gute Wanderschaft, Igor Fillipowitsch.«
    »Wie soll es weitergehen?« fragte Putkin und schluckte den neuen Angriff.
    »Andrej wird Knüppel schlagen, aus denen wir Schienen machen. Ich werde die Brüche so gut einrenken, wie ich kann … dabei kann mir nur mein Tastgefühl helfen. Sagen Sie bloß nicht, Putkin: Wozu sind Sie Arzt! Wir leben noch nicht in einer Zeit, in der jeder Arzt ein tragbares Röntgengerät in der Tasche mit sich führt.«
    »Ich schneide die Schienen«, sagte Putkin. »Wie lang und wie viele?«
    »Sie verschleudern ein paar wertvolle Stunden, Putkin. Marschieren Sie endlich los!« Die Susskaja holte aus ihrem Tragesack ihren Arztkoffer, Andrej grub die Axt aus Putkins Gepäck.
    Putkin wandte sich ab. Er riß Andreas die Axt aus der Hand und wies auf die weggeworfenen Packsäcke. »Schlagen Sie das Zelt auf. Mit der Axt kann ich besser umgehen als Sie. Es ist eine alte Weisheit: Verrückten soll man nicht widersprechen.«
    Nach einer Stunde hatten sie das kleine Notlager eingerichtet. Das Zelt stand, unter einem Leinwandsegel lag Morotzkij auf drei Wolfspelzen und wartete auf die ärztliche Kunst der Susskaja. Sein Anfall war vorüber – er erkannte seine Umwelt wieder, ergriff Nadeshnas Hände und hielt sie fest umklammert.
    »Warum laßt ihr mich nicht sterben?« stotterte er. »Warum hindert ihr mich daran? Es wäre doch alles so einfach gewesen …«
    Er fror, daß seine Zähne klapperten. Weil er bis zu den Hüften entblößt dalag, breitete Nadeshna eine Decke über ihn, kroch darunter und wärmte ihn mit ihrem Körper. Putkin war zurückgekommen, dicke und dünne Äste zu einem Bündel verschnürt, legte das Holz um das armselige Feuer, das Andrej entfacht hatte, und ließ die Knüppel auftauen. Dann spaltete er sie, schabte die Rinde ab und drehte sie über den Flammen, um den Frost aus dem Inneren des Holzes zu vertreiben und es zu durchwärmen.
    »Kann man's so gebrauchen, Katja Alexandrowna?« fragte er zahm. »Ich habe es erwärmt. Wenn Sie wollen, schnitze ich sogar ›Mit Gottes Hilfe‹ hinein.«
    »Wichtiger ist, wie wir Semjon Pawlowitsch betäuben.« Die Susskaja hatte eine Decke in Streifen geschnitten und rollte sie als Verbände zusammen.
    »Der Schmerz wird ihn umwerfen, Katja.«
    »Aber vorher wird er brüllen, daß der Schnee von den Bäumen fällt.«
    Putkin ging hinüber zu Morotzkij. Er verkniff sich eine Bemerkung über Nadeshna als Wärmflasche, hockte sich neben Morotzkijs Kopf und zeigte ihm einen kurzen, aber daumendicken Ast.
    »Gleich geht's los, Semjon Pawlowitsch«, sagte er. Nadeshna starrte ihn an … der väterliche Ton seiner Stimme verwirrte sie. »Gebrochene Knochen einzurichten, das ist eine gemeine Sache. Ich könnte Ihnen auf die Nuß schlagen, aber dann hätten Sie zusätzlich einen Schädelbruch, und Katja Alexandrowna, dieses wahre Teufelchen, bringt mich noch heute um. Stecken Sie sich den Knüppel zwischen die Zähne. Beißen Sie darauf, wenn Sie brüllen müssen. Es klingt verrückt – aber es hilft. Wir mußten einmal – oben bei Wjerchnje Kolymsk war es – einem Bohrarbeiter die zerquetschte Hand amputieren. Ein

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