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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unbeschmutztes Papier. Lasse mir den Text …«
    Darauf einigte man sich. Kyrill schnitt mit einem spitzen Messer die Ränder von den Zeitungen, und Putkin steckte die Streifen ein. Jetzt aber zeigte sich, daß er den Alten doch bestohlen hatte. Er zog aus seiner Fellhose eine zusammengefaltete ganze Zeitung und wedelte mit ihr vor Andreas' Augen.
    »Eine mehr oder weniger merkt er nicht«, lachte er breit. »Und ich habe die doppelte Freude … eine gute Papyrossi und eine Lektüre, wenn mir eure Gesichter zum Kotzen werden. Man muß sich bilden, Andrej. Wissen Sie, was 1926 los war?«
    »Bei uns war Hindenburg Reichspräsident und Stresemann führte seine Locarno-Politik durch. Deutschland kam in den Völkerbund …«
    »Bravo, Andrej! Und in Rußland?« Putkin starrte in den trüben Himmel und sog an seiner dicken Zigarette. »Lenin war tot, Stalin sein Nachfolger. Man kaute an der Theorie des ersten Fünf Jahresplanes. Ein Mistjahr, Andrej. Rußland hungerte sich die Seele aus dem Leib, nichts klappte richtig, die bolschewistische Idee ging nur langsam in die Gehirne.« Er hob die Zigarette hoch und betrachtete sie lange. »Und das rauchen wir jetzt. Das Jahr 1926! Welch ein Gefühl, Andrej –«
    Am Abend hatte man gegen den Schnee und den leisen Wind eine Art Zaun aus Holz und Zweigen gebaut und das Zelt sowie die aufgespannte Plane damit abgeschirmt. Man merkte es sofort … die Wärme des Feuers blieb hängen und verflog nicht mehr in der Weite der Taiga. Es wurde fast gemütlich, wenn man zwischen der Holzwand und dem Feuer saß, draußen die Gerippe der Bäume sah, die eisbedeckten Stämme, den Schnee und den zugefrorenen Fluß. Morotzkij schlief, völlig erschöpft von den heruntergeschluckten oder ins Holz gebissenen Schmerzen, Nadeshna kochte wieder und braute aus den mitgeschleppten Dingen eine Wundermahlzeit, wie die mit Gemüse gefüllten Blinis, deren Duft aus der brutzelnden Pfanne für Putkin fast einen erotischen Reiz bekamen.
    Und noch etwas brachte Putkin heran. Mit Andrej hatte er einen dicken Baum umgehackt, eine mörderische Arbeit, denn bis man das Beil ein paar Zentimeter in den gefrorenen Stamm getrieben hatte, verging fast eine Stunde. Dann, als kapituliere der Baum resignierend, ging es schneller … er schrie mit einer fast menschlichen Stimme, als er endlich umfiel. Das dickste Stück dieses Stammes, zwei Meter lang, sägten sie ab und hieben der Länge nach eine flache Höhlung, als wollten sie so wahnsinnig sein, jetzt mit dem Bau eines Einbaumes zu beginnen.
    »Was soll das?« fragte Andrej. Er spürte seinen Rücken schon nicht mehr, kniete verkrümmt im Schnee und hatte Angst, sich aufzurichten. Mein Rückgrat wird durchbrechen, dachte er. Dieser Putkin ist kein Mensch mehr, er ist eine alles verändernde, alles in sich hineinfressende Maschine.
    »Ein Ofen, Genosse Deutschland«, sagte Putkin und hieb weiter auf den Stamm ein.
    »Dieser Baum?«
    »Ein sibirischer Ofen. Von tungusischen Jägern habe ich das gelernt.«
    Sie trugen den Stamm zum Lager, legten ihn neben das Feuer, und Putkin begann, die Aushöhlung mit massiver Glut aufzufüllen, legte Zweige darüber und freute sich wie ein Kind, als der ganze Stamm in seiner Rinne aufflammte.
    »In zwei Tagen ist er durchgeglüht«, sagte er und rieb sich die Hände. »Dann können wir uns an ihm wärmen wie auf einer Ofenbank.«
    »Wir sollten eine Hütte bauen, Igor Fillipowitsch«, sagte die Susskaja. Sie betrachtete Putkins sibirischen Naturofen mit Skepsis. »Das hier ist kein vorübergehender Aufenthalt.«
    »Was nennen Sie nicht vorübergehend, Katja Alexandrowna?«
    »Morotzkijs Beine werden drei Monate brauchen, bis sie wieder fest sind.«
    »Unmöglich!«
    »Wenn die Kallusbildung gering ist, noch länger.«
    »Hier können wir keine drei Monate bleiben, Katja«, sagte Putkin ernst. »Ein paar Tage, ja. Das ist kein Platz für eine lange Dauer. Der große Frost steht noch aus. Und wenn ein starker Wind kommt – Nadeshnas Gott möge das verhüten –, bläst er uns auf den Fluß! Wir müssen weiter …«
    Sie sahen einander an, und da jeder wußte, was der andere dachte, sagten sie nacheinander nur: »Nein!«
    »Wer bleibt bei Morotzkij?« fragte Putkin heiser.
    »Alle, bis auf Sie«, antwortete Andreas.
    »Sie bringen sich damit selbst um!«
    »Ist das Ihr Problem, Igor Fillipowitsch?«
    »Ich hasse Dummheit. Und das hier ist schon Blödsinn.«
    »Es hindert Sie keiner, wegzugehen.« Andreas zeigte hinüber in den

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