Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
schlagenden Arme festzuhalten.
    »Das erste Bein ist fertig«, keuchte er.
    Putkin nickte. »Eine Seite ist repariert!« schrie er Morotzkij in das verzerrte, schweißnasse Gesicht. Er zog den zerbissenen Ast aus den Zähnen, und sofort stieß Morotzkij einen gellenden Schrei aus. Er riß den Mund weit auf, aber ehe er zum nächsten Schrei ansetzen konnte, lag bereits der neue Knüppel zwischen den Zähnen. Er hieb mit aller Wucht die Kiefern zusammen und biß sich wieder in dem Holz fest.
    Das zweite Bein. Es knackte deutlich, als die Susskaja die Bruchenden auseinanderzog und dann wieder einrichtete. Selbst Putkin fuhr es kalt über den Rücken, er legte den massigen Kopf auf Morotzkijs Brust und hätte ihm nicht übelgenommen, wenn er den Himmel herabgebrüllt hätte.
    Aber Morotzkij schwieg. Er lag ganz ruhig, und als Putkin verwundert den Kopf hob, blickte er in verdrehte Augen und ein entspanntes Gesicht. Nur die Nasenflügel zitterten unter dem Atem, ein Beweis, daß Morotzkij lebte.
    Putkin drehte seinen Kopf zurück. Er sah die Susskaja mit der Schiene beschäftigt. Sie war vor der Brust entblößt, als habe jemand sie vergewaltigt und ihr die Kleidung aufgerissen. Sie dampfte in der kalten Luft … um sie herum schwebte ein Nebel gefrierenden Schweißes.
    Putkin löste sich von Morotzkij, hockte sich auf den Wolfspelz und wischte sich mit beiden Händen über das behaarte Gesicht.
    »Haben Sie keine Angst, Andrej?« fragte er keuchend.
    »Vor wem?«
    »Vor dieser Frau! Vor diesem Höllenweib! Wie es die Knochen krachen läßt! Ich könnte mir denken, daß sie einem das Rückgrat zerbricht, wenn man im Bett nicht so will wie sie.« Er schneuzte sich, indem er ein Nasenloch zuhielt und durch das andere den Schleim hinausblies. »Ich würde mir darüber Gedanken machen, Andrej.«
    Am Abend hatten sie das Lager soweit ausgebaut, daß man es hier für einige Tage aushalten konnte. Wie Roboter hatten Putkin und Andreas stundenlang geschuftet, ohne eine Pause, nur ab und zu unterbrochen durch ein paar Züge an Zigaretten, die sie aus Zeitungen und dem vom Popen Kyrill angebauten Tabak drehten. Sie hatten einen Haufen Holz geschlagen.
    Überhaupt der Tabak und die Zeitungen! Der Tabak stank bestialisch, und selbst Putkin hatte Mühe, die ersten Zigaretten von Kyrill zu verdauen. »Als wenn man gekörnte Pisse raucht«, schrie er den Popen damals an, der zufrieden an seiner geschnitzten Pfeife saugte. »Baut einen Tabak an, von dem die Därme zerfressen werden.«
    »Dann rauch ihn nicht, mein Söhnchen«, hatte der fromme Kyrill Jegorowitsch geantwortet. »Danke Gott, daß er überhaupt in meinem sibirischen Gärtchen Tabak wachsen läßt. Schon das ist ein Wunder.« Und Morotzkij, der immer und überall sein professorales Wissen herauskehren mußte, bestätigte es ihm. Er behauptete, das sei der einzige Tabak, der in dieser nördlichen Lage gedeihe.
    Schließlich gewöhnte man sich an den beißenden Gestank des Qualmes, am vierten Tag rauchte man den Tabak, als sei er beste orientalische Ware. Dafür begann der Kampf um die Zeitungen. Putkin, wer sonst, hatte sie in dem Verschlag entdeckt, in dem Kyrill seine Vorräte lagerte. Ein kleiner Stapel, keiner wußte, warum der Pope sie aufhob, sie nützten hier nichts, was macht man mit einer Zeitung in der Taiga, vor allem, wenn man den Tabak aus einem Pfeifchen raucht?
    Aber Kyrill brüllte los, als Putkin mit drei Ausgaben der ›Prawda‹ unter dem Arm erschien, als habe er ein Diamantenlager geplündert. »Alles vernichtet er, alles!« schrie Kyrill. »Dieser Mensch ist eine Strafe des Himmels!«
    »1926 –«, sagte Putkin und faltete die Zeitungen auseinander. »Seht euch das an! Von 1926! Daraus drehe ich mir jetzt ein Zigarettchen. Eine historische Papyrossi! Da trug mein Mütterchen noch Zöpfe und verteilte Flugblätter der Partei unter die Dorfgenossen. Mein Vater lernte Traktorist und trug am 1. Mai die rote Fahne. 1926 … Kyrill Jegorowitsch, wie sah Rußland damals aus? Wie konnte damals, in den Jahren des bitteren Aufbaus, ein Mensch wie du Priester werden? Eine nationale Schande! Hat Muskeln wie ein Ochse, und benutzt sie zum Beten! Man sollte dich anspucken!«
    »Die Zeitung her!« schrie Kyrill wieder. Und wie so oft in diesen Tagen standen sie sich wieder gegenüber, bereit, aufeinander einzuschlagen und doch wissend, daß keiner gewinnen würde.
    »Gut, ich schneide dir die Ränder ab –«, sagte Kyrill endlich. »Die Ränder sind breit genug und

Weitere Kostenlose Bücher