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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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improvisierten Skistöcken gegen seinen sibirischen Ofen, sagte: »Paßt auf, daß er schön weiterglüht«, und begann dann den einsamen Marsch in die vom Schnee begrabene Taiga.
    Er ging langsam, so, als warte er darauf, daß man ihn noch zurückrief … aber keine Stimme erhob sich. Sie standen alle hinter der Schutzwand und sahen ihm nach, wie er im Wald untertauchte. Dann war nur noch das immer leiser werdende Knirschen der Skier zu hören, das Reiben der Bretter über den verharschten Schnee und das tack-tack-tack der Knüppel, mit denen sich Putkin weiterstieß und jeden Schritt unterstützte. Als auch dieser Laut verflog, blieb eine lastende Stille zurück.
    »Ich hole ihn zurück«, sagte Andreas leise.
    »Er wird uns alle an den Galgen bringen.« Die Susskaja senkte das Gewehr. »Er ist einer von jenen Menschen, die nur zerstören müssen. Die geboren sind, um andere zu vernichten. Er kann gar nicht anders, es ist sein Charakter.«
    »Er hat Kyrill das Leben gerettet.«
    »Das würde ihn nicht hindern, ihn jetzt, nach diesem Zeitungsartikel, ebenso grandios zu töten.«
    »Ich hasse ihn!« stammelte Nadeshna. »Ich hasse ihn!« Dann rannte sie weg, warf sich neben Morotzkij auf die Felle und weinte laut.
    Den Rest der Nacht verbrachten sie draußen, um sofort hören zu können, wenn Putkin heimlich zurückkam. Aber er kam nicht. Als der Morgen graute und das trübe Tageslicht wieder durch den Milchglashimmel fiel, war ihnen bewußt, daß sie Putkin auf die schrecklichste Weise vernichtet hatten, mit der man einen Menschen in der Taiga vernichten kann.
    Sie blieben drei Tage in dem provisorischen Lager und warteten ab, wie Morotzkij reagierte. Bekam er Fieber, war es sinnlos, eine Hütte zu bauen. Dann war es nur eine Frage von Stunden, bis seine Kräfte so aufgezehrt waren, daß sein Herz versagte. Nadeshna pflegte ihn rührend, rieb sein Totenkopfgesicht mit Schnee ab, fütterte ihn mit heißen, fettigen Suppen, wusch ihn, wenn er seine Notdurft unter sich gemacht hatte – wie sollte es auch anders gehen? – und sprach ihm Mut zu, wenn er klar bei Verstand war.
    Putkins sibirischer Ofen begann, sich zu bewähren. Der Stamm glühte durch, die Glut fraß sich weiter in die Tiefe, das Holz begann, Wärme auszustrahlen und unterstützte das Feuer. Zweimal schoß Andreas einen Schneehasen, was keine Kunst war, denn ohne Kenntnis, welches Raubtier der Mensch ist, waren die Hasen so neugierig, daß man sie fast mit den Händen greifen konnte. Man briet sie an dem eisernen Stecken, es roch köstlich durch den Wald, und wenn die Sorge um Morotzkij nicht gewesen wäre, hätte man sagen können: Es begann, ein schönes Leben zu werden.
    Der Druck war weg, das war es. Die ständige Drohung, die von Putkin ausging. Die Gefahr, die einem im Nacken saß: Ist er ein Mensch oder ein Untier? Welche Seite seines zwiespältigen Charakters ist heute an der Reihe? Peinigt oder hilft er uns? Und dann der Gedanke: Liefert er uns wirklich den Behörden aus? Kann ein Mensch, mit dem man so viel Gemeinsames durchlitt, am Ende dieses Weges sagen: Greift sie euch! Ein Haufen schwarzer Sünde sind sie, nur ihre Gesichter sind weiß! Kann das ein Mensch? War Putkin wirklich so?
    Eine Frage, von der man erlöst war. Man spürte es, man lachte sogar über nichtige Dinge, wenn Morotzkij schlief und man auch ihn eine Weile vergessen konnte. Der Winter war zahm, ein starker Wind blieb aus, es hatte sogar den Schein, als würde es wärmer, denn am dritten Tag schneite es wieder. Die gleichen dicken Flocken wie immer, flauschiges, gefrorenes Wasser, ein Wunder der Natur.
    Sie waren so glücklich und sorglos, daß sie bis in den späten Morgen hinein schliefen, und als sie am vierten Tag aufwachten, saß Putkin im Lager, lehnte sich an seinen sibirischen Ofen und konstruierte aus Ästen eine Art Flechtschlitten. Das war eine lautlose Arbeit, keiner hatte sie im Zelt gehört … Andreas, Katja und Nadeshna krochen ins Freie und starrten Putkin entsetzt an.
    »Ein Morgen zum Hüpfen«, sagte Putkin und strahlte über sein breites, von Haaren zugewachsenes Gesicht. »Der Tee ist fertig. Kriecht hervor, meine Lieben.« Er winkte der Susskaja zu und streckte plötzlich die Hand aus, als wolle er etwas auffangen. »Schießen Sie nicht gleich wieder, Katja Alexandrowna! Ich muß Ihnen etwas Gutes erzählen. Zehn Werst weiter, geschätzt, verschwindet der Fluß, das heißt, er kommt da aus einem Felsen. Dann steigt das Land weiter an, bildet eine

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