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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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abendlichen Wald. »Bitte, die Taiga steht zu Ihrer Verfügung. Wir werden zusammenstellen, was Sie mitnehmen, und Ihnen dann viel Glück wünschen.«
    »Man sollte eure Köpfe gegeneinanderschlagen, damit die Dummheit herausfließt«, sagte Putkin, ging um seinen sibirischen Ofen herum, setzte sich auf die andere Seite und begann, sich eine neue Zigarette zu drehen.

XII.
    An diesem Tag wurde in Irkutsk offiziell die Suche nach den vermißten Passagieren eingestellt.
    Noch einmal hatte es General Serikow durchgesetzt, daß man die Flugzeugtrümmer durchwühlte und alles aus dem Schnee freischaufelte, als grabe man nach kostbaren Altertümern. Er fand noch einiges, was Jekaterina Alexandrowna gehörte, und er fand auch die Aktentasche des Deutschen Andreas Herr. Sie war mit technischen Papieren gefüllt, Tabellen, Zeichnungen, Fotos von Bergwerksmaschinen, Förderbändern, Abraumhobeln, Berichte und Stenogramm-Protokolle über die Besprechungen mit den sowjetischen Grubendirektoren.
    Serikow warf alles weg und behielt nur ein Foto, das ein Straßenfotograf in einer Stadt – vermutlich Moskau – aufgenommen hatte. Es zeigte eine alte russische Kirche – war es das Kloster Jagorsk? – und davor einen kräftigen blonden Mann mit fröhlichen, jungenhaften Augen. Er lachte in die Kamera. Ein Bild voller Freude und Lebenslust.
    »Das bist du …«, sagte Serikow und betrachtete das Foto lange. »Du hast erreicht, daß Katja wegläuft. Wie hast du das erreicht? Mit deiner Jugend? Mit deinem Lachen? Mit deiner verdammten Siegessicherheit? Mit deinem verfluchten deutschen: ›Da bin ich, der Größte!‹? War es so, Katjuschka?«
    Er spürte wieder das Brennen in seinen Kriegsnarben, und die Erinnerung an den damaligen Haß kam zurück. Er hatte geglaubt, das alles überwunden zu haben – die deutschen Jagdflugzeuge, die sich wie Riesenhornissen auf die zurückflutenden Kolonnen stürzten und in deren Kugelhagel auch sein Vater liegenblieb. Oder die Beschießung von Minsk. Nichts Erschütterndes, verglichen mit dem, was der Krieg später noch an Zerstörung brachte … aber schon diese eine Granate war zuviel, die seine Mutter und seine einzige Schwester auf der Straße erreichte. Was man später beerdigte, waren nur einige gesammelte Fleischfetzen. Er hatte sich ehrlich bemüht, zu vergessen, daß die Deutschen seine ganze Familie ausgelöscht hatten. Die Serikows standen nicht allein, Millionen war es so ergangen, auch in Deutschland, wo später in einer einzigen Nacht mehr Menschen unter den Phosphorbomben verbrannten, als Panzerschlachten an der Front Verluste bei den Soldaten hinterließen. Der Krieg, auch wenn man ihn den Großen Vaterländischen nannte, war eine Erinnerung, auf die kein Volk stolz sein konnte, und er hatte Jahre gebraucht, dieser General Serikow, um das einzusehen. Jetzt aber brach der Haß wieder in ihm auf, und das Wort Deutsch wirkte wie ein Angriffssignal.
    Serikow machte seinen Plan wahr: Er fuhr hinaus auf den Militärschießplatz, schnauzte die Wachen an, erreichte, was ausdrücklich verboten war, nämlich, daß niemand, auch ein General nicht, ohne Aufsicht schießen darf, spannte Katjas und Andreas Herrs Fotos in den Zielkartenrahmen und lud seine schwere Armeepistole.
    Dann zielte und schoß er … ruhig, mit der linken Hand die rechte abstützend, über Kimme und Korn genau die Köpfe im Schußfeld, krümmte langsam den Finger, preßte die Lippen zusammen, zog durch und fing den Rückschlag auf, wie er es gelernt und in 33 Jahren geübt hatte, zielte und schoß noch einmal, ein drittes und ein viertes Mal, schoß das ganze Magazin leer, mit der gleichen eisigen Ruhe wie beim ersten Schuß.
    Erst dann drückte er den Hebel, die Schießscheibe fuhr heran, und er nahm die Fotos aus dem Rahmen.
    Er war zufrieden. Jeder Schuß in den Kopf. Von Katjas Augen waren nur Löcher übriggeblieben. Andreas Herr erkannte man nicht mehr … er war ein Mensch ohne Gesicht.
    Serikow steckte die Fotos ein, verließ den Schießplatz, fuhr zurück in seine Dienststelle und steckte die zerschossenen Bilder in einen silbernen Rahmen. So fand ihn Krendelew, sein Adjutant … betrunken, mit dem Kopf auf der Schreibtischplatte, die Hände um den Bilderrahmen gelegt.
    Haß ist der Wein des Teufels, sagen die Tataren.
    General Serikow wurde noch an diesem Tag in ein Krankenhaus gebracht und in einen Heilschlaf versenkt.

XIII.
    Es war warm am Feuer, und der leise, gemeine Wind war auch eingeschlafen.
    Putkins

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