Die Verdammten der Taiga
sie ab, umarmte Nadeshna und Morotzkij und küßte sie gleichfalls unter lautem Schmatzen und vollführte dann einen Tanz durch den Schnee wie ein Ungeheuer aus der Urzeit.
Gold – Gold – Gold –
Putkins irre Begeisterung war berechtigt, wie sich schnell herausstellte. Zwei Stunden lang schlugen sie das Eis vom Uferrand weg, sogar Morotzkij beteiligte sich daran, obwohl er keuchte wie ein lahmer Esel und auf seinem verkürzten Bein herumhumpelte, als vollführe er einen zuckenden Tanz. Die Susskaja sammelte den Sand in einem großen Rentierfell, er war gefroren, mußte mit der Axt abgehackt werden, und Nadeshna taute ihn im Kochtopf über dem Herdfeuer auf.
»Na?« schrie Putkin in Abständen von wenigen Minuten immer wieder. »Na? Ist es Gold? Bringt es her, liebe Freunde, zeigt es mir, laßt es durch meine Finger rinnen … hier liegen Millionen Rubel, wir brauchen sie nur aufzuheben! Das ist jungfräuliches Land, zwischen den Schenkeln noch voller Geheimnisse. Andrej, dieser verfluchte Fluß hat goldene Ufer –«
Schwitzend, aus allen Poren dampfend, saßen sie dann vor der Hütte und suchten die kleinen Goldkörner zusammen, die Nadeshna aus ihrer Sandsuppe herausseihte. Sie ließ alles durch ihr grobgewebtes Unterhemd laufen, und was zurückblieb, waren neben Kieseln und Sandglimmer eine Menge gelber Körnchen.
»Das alles gehört dem sowjetischen Staat –«, sagte Morotzkij geradezu provozierend. »Das ist Ihnen doch klar, Igor Fillipowitsch?«
Putkin trat unter den leeren Kochtopf, schloß die Faust um die Goldkörner und hielt sie dem grinsenden Morotzkij unter die Nase. »Wo ist der Staat?« sagte Putkin laut. »Hier, meine Faust … das ist ein Staat!«
»Bis heute gab es keinen besseren Kommunisten als Sie, Putkin. Und plötzlich ist das anders, nur weil Sie ein paar gelbe Körner in der Hand halten? Was soll man davon denken? Ist die ideologische Decke so kurz, daß immer etwas hervorguckt, wenn man sich damit zudeckt? Mal der Kopf, mal die Füße?«
»Andrej, sagen Sie dem Idioten, er soll das Maul halten!« sagte Putkin böse. »Wenn ich ihn selbst anspreche, muß ich ihn anspucken. Aber ich bin ein gut erzogener Mensch. Ein Mörder sollte nicht so in die eigene Tasche spucken.«
»Seien wir uns darüber doch im klaren, Igor Fillipowitsch«, sagte nun auch die Susskaja. Ihr schönes, wildes Gesicht war von der Eishackerei gerötet, die Haare hingen in lockigen Strähnen über ihre Augen. Ihre großen Brüste hoben sich beim Atmen, als fingen sie die Luft ein und drückten sie in den Körper hinein. »Sie werden viel Gold finden, vielleicht einen solchen Haufen, daß Sie sich damit ein Kissen und eine Matratze füllen können. Aber was nutzt es Ihnen, he? Wo leben wir denn? Um uns sind Tausende von Werst Einsamkeit. Sie können Ihr Gold nur ansehen, in ihm wühlen, es in die Sonne tragen und glänzen lassen, vielleicht wird es Ihr Privatgott und Sie beten es an … aber damit ist schon alles an Möglichkeiten erschöpft. Nicht einmal fressen können Sie das Gold …«
»Der Fluß –«, sagte Putkin dumpf. Er öffnete die Faust, die Goldkörner leuchteten, sauber ausgewaschen und in Nadeshnas Kochtopf blank gekocht, im trüben Schneelicht. »Der Fluß fließt nach Süden. Irgendwo mündet er in einen größeren Fluß, und an diesem Fluß leben Menschen. Jekaterina Alexandrowna, wir sind doch nicht auf einem anderen Stern ausgesetzt worden. Wir leben doch inmitten der Welt.«
»Sie sagen es, Igor Fillipowitsch.« Katja nahm ein paar Goldkörner und ließ sie auf ihrer Handfläche auf und ab springen. »Und Semjon Pawlowitsch bekommt recht: Sie müssen den Reichtum abgeben. Er ist Volkseigentum.«
»Bin ich ein Idiot?« schrie Putkin.
»Ich erinnere mich« – sagte die Susskaja – »daß ein Genosse Putkin die Absicht hatte, sofort nach Erreichen der nächsten Siedlung eine Anzeige loszulassen, daß die Lehrerin Abramowa Bibeln und Priester nach Rußland schmuggelt, ein Professor Morotzkij gestanden hat, ein heimlicher Mörder zu sein, der Deutsche Andreas Herr der Spionage verdächtig ist und …«
»Sie sind ein nachtragendes Aas, Katja!« sagte Putkin unsicher. »Sehen wir es doch logisch: Wir alle sind Genossen. Wir sind verdammt, in der Taiga zu überleben. Wir werden das erreichen mit Händen und Zähnen, wir werden uns durch diesen Winter beißen, verdammt noch mal! Und wenn wir hier viel, viel Gold finden, werden wir hier an diesem Fluß bleiben und soviel aus der Erde holen,
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