Die Verdammten der Taiga
die Bank gehört dem sowjetischen Staat und wird sofort die Miliz rufen, wenn wir Goldklumpen auf die Theke legen.«
»Ich schlage vor –«, sagte Morotzkij mit einer Gehässigkeit, für die ihn Putkin hätte erschlagen können, »daß wir, wenn wir genug gewaschen haben, uns statt eines Schneemannes einen Goldmann bauen und dreimal täglich drumherum tanzen wie die Kinder Israels um das Goldene Kalb. Dann hat's noch einen Sinn … Gymnastik festigt die Lungen und Muskeln.«
»Andrej, entferne diesen verrosteten Eisentopf aus meiner Nähe!« knurrte Putkin böse. »Ich durchlöchere ihn sonst und nehme ihn als Sieb für die Goldwäscherei. Natürlich müssen wir das Gold außerhalb der Sowjetunion einwechseln.«
»Sie wollen Ihr Vaterland verraten, Igor Fillipowitsch?« fragte die Susskaja genüßlich. »Warum haben Sie eigentlich als Ölbohrer noch keine eigenen Ölfelder?«
»Kann man Öl in der Hosentasche wegtragen?« Putkin legte die Goldkörner neben sich auf ein Brett. »Wir haben Zeit genug, uns alles zu überlegen. Fünf trainierte Gehirne … und uns sollte nichts einfallen? Wir sollten vor Scham umfallen, Genossen …«
»Lassen Sie in Zukunft dieses Wort weg, Putkin!« sagte Katja streng. »Es beleidigt die Idee, wenn Sie es aussprechen. Wir sind Kumpane, weiter nichts. Wir sind dabei, unser Vaterland zu betrügen, es auszubeuten, den Fortschritt zu sabotieren und den Nutzen in die eigene Tasche zu stecken …«
Entgeistert starrte Putkin die Susskaja an. »Sie redet wie ein Politruk! He, Katja Alexandrowna, ist das Ihr Geheimnis? Sind Sie eine große politische Nummer? Hat man Sie, außer Leiber zu flicken, auch noch zur ideologischen Schulung nach Suchana geschickt? Und dann sahen Sie Andrej, und Lenin rutschte tief in die Hose, was? Gestehen Sie es.«
»Sie bleiben ein grober Klotz«, sagte die Susskaja. »Aber es beruhigt mich, daß Sie sich selbst spalten werden. Das Gold, Putkin, ist die Axt, die Sie auseinanderschlägt –«
Später, am Nachmittag, als Nadeshna einen Schneehasen briet, den die Susskaja oberhalb des Lagers bei den Felsen geschossen hatte, und Morotzkij interessiert Schneegänse beobachtete, die schreiend über dem vereisten Fluß hin- und herflogen, standen Putkin und Andreas an den aufgeschlagenen Uferstellen und rauchten zusammen eine der Zigaretten aus Kyrills höllischem Tabak und einem Fetzen ›Prawda‹. Der Qualm gerbte die Schleimhäute, aber er hatte auch eine verblüffende Wirkung: Er machte das Hirn frei, als räuchere er es aus.
»Ich werde das Gold industriell abbauen«, sagte Putkin. »Andrej, wir zwei sind keine Dummköpfe. Wir werden eine Waschmaschine konstruieren, getrieben mit Wasserkraft, eine Reihe Schüttelrinnen, in denen der Sand sortiert wird … aber die Hauptarbeit bleibt uns und unseren Händen. Wir haben keine Siebe, und Nadeshnas Unterhemd ist jetzt schon morsch. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, mein Freund. Im Frühjahr, nach der großen Schneeschmelze, müssen wir uns diesen Fluß erobert haben.«
»Du redest, als sei es sicher, daß wir alle hierbleiben«, sagte Andreas. Er gab die dicke, stinkende Zigarette an Putkin zurück und rollte den Rauch noch einmal durch die Mundhöhle, ehe er ihn ausstieß.
»Wer geht weg, wenn er auf Gold schläft?«
»Katja und ich. Wir wollen zusammenleben.«
»Ist die Taiga nicht ein Platz, dem Himmel am nächsten? Ihr wolltet doch hierbleiben, sogar ganz allein!«
»Wir wollen nach Deutschland. Ich habe geglaubt, ich könnte die Taiga ertragen. Ich glaube es nicht mehr. Nur ein Russe kann sich in diese grenzenlose Einsamkeit verlieben. Für mich wird die Taiga ein Gefängnis mit grünen Gitterstäben.«
»Du stehst vor Millionen, Andrej!« rief Putkin und saugte an der Zigarette wie ein Säugling an seinem Schnuller. »Scharr mit der Stiefelspitze und schon hast du hundert Rubel an der Sohle! Was willst du in Deutschland? Katja Alexandrowna wird am Operationstisch stehen, und wenn sie abends nach Hause kommt, stinkt sie nach Lysol, und was wird sie dir erzählen zwischen Schinkenbrot und Bier, na? Heute habe ich eine Lunge herausgenommen, Andruscha, eine total verjauchte Lunge, sage ich dir. Die hat gestunken, daß der zweite Assistent in die Knie ging … Und du? Was erzählst du? Ich habe heute einen Streb abstützen lassen, neunte Sohle, ganz schön heiß da unten. Und wie wir die Stempel einhauen, beginnt die Lampe zu flackern und Gas bricht ein. Da sind wir gelaufen bis zum Wetterschacht.
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