Die Verdammten der Taiga
gleichgültig und säbelte weiter an dem Holzklotz.
»Was, bitte?« Putkin beugte sich vor. Sein struppiger Bart schien sich zu sträuben wie das Nackenfell eines wütenden Wolfes.
»Der heilige Josef.« Nadeshna hielt das Holz hoch. Tatsächlich, man konnte schon die Form erkennen: ein Mann, der sich auf einen Hirtenstab stützt.
»Nadeshna, geben Sie keine Antwort mehr«, sagte Katja ahnungsvoll.
»Der heilige Josef!« brüllte Putkin. »Und den klemmt sie sich zwischen die Beine! Semjon Pawlowitsch, lassen Sie sich vom heiligen Josef betrügen?«
Morotzkij wollte etwas sagen, aber Nadeshna kam ihm zuvor. »Wir haben keinen Kalender geführt«, sagte sie. »Aber ich habe nachgerechnet, daß wir über den Hausbau vergessen haben, daß Weihnachten gewesen ist. Ich will es nachholen … ich schnitze eine Krippe, und wir werden um sie herumsitzen, uns beschenken und uns allen Frieden wünschen. Igor Fillipowitsch, haben Sie etwas gegen den Frieden?«
Das war eine Frage, auf die Putkin schlecht mit einem unflätigen Gebrüll antworten konnte. Er schnaufte, lehnte sich zurück an die dicken, warmen Flußsteine, aus denen man den mächtigen Ofen gebaut hatte, und streckte die gewaltigen Beine von sich.
»Als wir uns kennenlernten, damals, auf der verdammten Lichtung, in die wir hineingefallen waren, hat jeder von uns sein Leben erzählt«, sagte er nach einer Weile Stille. Es war eine Ruhe, die sich auflud mit Spannung. »Setzen wir das fort, Freunde. Draußen wird es noch lange toben, ich kenne das. Ich habe einmal in einem Erdloch zehn Tage aushalten müssen, weil der Sturm mich sonst wie ein welkes Blatt übers Land getrieben hätte. Wir haben jetzt Zeit, uns weiter zu entblößen. Morotzkij, Professorchen mit blutigen Händen, der Tiere beobachtet, wie sie sich begatten: Wie stellen Sie sich Ihr Leben weiter vor?«
»Ich werde Nadeshna heiraten.« Morotzkij legte den Arm um die Schulter der zierlichen Lehrerin Abramowa. »Ich werde ein bürgerliches Leben führen. Ich habe keine blutigen Hände, wie Sie meinen, Igor Fillipowitsch. Ich habe meine Frau getötet in einem Rausch von Enttäuschung und tiefster seelischer Qual. Ich habe meine Frau geliebt. Nadeshna weiß, wie ich darunter gelitten habe, bis sie in mir einen neuen Lebensmut erweckte.«
»Aber nicht mit der Bibel«, sagte Putkin gehässig. »Nun ist plötzlich aber alles anders. Sie werden aus der Taiga zurückkommen mit einem Sack voll Gold auf dem Rücken. Nadeshna, Josefschnitzerchen, werden Sie das schöne Gold der Kirche stiften?«
»Ja, sie wird es«, sagte die Susskaja an Nadeshnas Stelle. »Und wenn sie's nicht tut, ist es auch nur menschlich. Was wollen Sie provozieren, Putkin?«
»Ich will die verdammte Heuchelei von euch herunterreißen. Das ist es!« Er wälzte sich auf die Beine, trat gegen den Holzklotz, er flog Nadeshna aus den Fingern und prallte gegen die Wand. »Ihr alle versteckt euch hinter Masken! Potemkinsche Dörfer auf zwei Beinen. Der einzige, der sich hier frei bewegt, bin ich. Und ich sage euch: Wenn wir alle in ein paar Monaten vor unseren Goldhaufen sitzen, werden wir wie Tiere sein, die alle Tricks anwenden, um ihre Beute in Sicherheit zu bringen.«
Er ging in den kälteren Nebenraum, drehte sich eine der höllischen Zigaretten und begann, mit getrocknetem Gras die Ritzen auszustopfen, durch die noch der Schnee wehte.
Andreas, der ihm ein paar Minuten später folgte, blieb unter der Tür stehen, sah ihm eine Weile zu, kam dann näher und beteiligte sich an dem Verstopfen der Ritzen.
»Igor Fillipowitsch, ich warne dich …«, sagte er leise.
»Wovor?« knurrte Putkin und raschelte mit den Händen in dem Haufen von getrocknetem Gras.
»Ich habe deinen Blick gesehen, mit dem du Nadeshna betrachtet hast. Laß sie in Ruhe! Rühr sie ja nicht an …«
»Ich werde sie eines Tages niederwalzen. Was hat sie an Morotzkij, das frage ich dich? Ein Gerippe, an dem man sich blaue Flecken stößt. Hast du ihn nackt gesehen, Andrej? Man muß schon mit einer Lupe an ihn herangehen, um zu sehen, wo er ein Mann ist. Und so etwas hat ein Recht, Nadeshna unter der Decke zu haben? Das ist gegen die Natur!«
»Sie liebt ihn, Igor …«
»Sie liebt ihn nur, um mich damit dauernd zu provozieren.«
»Das bildest du dir ein. Sie hat Angst vor dir …«
»Und die Josef Schnitzerei, he? Das Marienbild mit der schiefen Brust? Kommt es aus dem Herzen? Tritte sind es, Andrej, Tritte in meinen Hintern. Stiche mit der ganzen List weiblicher
Weitere Kostenlose Bücher