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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gewöhnen und dressieren. Wer holt das Seil? Andrej, helfen Sie mir? So ein Elch ist ungeheuer stark. Er würde mich mitreißen. Aber zu zweit schaffen wir es.«
    Während Nadeshna ins Haus schlüpfte und das lange Seil holte, ging Morotzkij wieder schrittweise vor und lugte um die Hausecke. Die Elchkuh stand noch immer da … sie war jetzt von der Hauswand weggetreten und sah Morotzkij mit ihren großen braunen Augen neugierig an. Aber sie flüchtete nicht … sie senkte nur den Kopf, blies mit den dicken Nüstern in den Schnee und scharrte mit dem rechten Vorderlauf.
    Andreas hatte das Seil genommen, eine Schlinge geknüpft und tastete sich lautlos an Morotzkijs Seite. »Können Sie ein Lasso werfen?« fragte er leise. »Wenn der erste Wurf danebengeht, sehen Sie nur noch eine Schneewolke.«
    »Können Sie es?« flüsterte Morotzkij zurück. »Welch ein Exemplar. Eine versprengte Kuh. Warum steht sie hier? Es gibt nichts Mißtrauischeres als einen Elch. Los, werfen Sie das Lasso! Mir zittern die Hände –«
    Andreas hob den Arm. Die Elchkuh starrte ihn an, der schöne große Kopf zuckte hoch. Ein paar Schwünge, die Schlinge flog und legte sich um den Hals des Tieres, bevor es begriffen hatte, daß das Unbekannte vor ihm Gefahr bedeutete. Die Schlinge zog sich zu, und Andreas stürzte, mitgerissen von der Kraft des sich herumwerfenden Elches. Sein Gesicht schabte über die verharschte, gefrorene Schneedecke, aber er hielt das Seil fest, wurde mitgeschleift und hinterließ eine Spur, durchsetzt mit roten Flecken.
    »Festhalten!« kreischte Morotzkij. »Festhalten! Helft doch, helft doch!«
    Er erwischte noch Andreas' Beine, hielt sich daran fest, wurde ebenfalls mitgerissen und rutschte brüllend durch den Schnee.
    Um das Haus rannten Putkin und Katja Alexandrowna. »Man soll es nicht für möglich halten!« schrie Putkin. »Zwei Männer, und gehen vor einer Elchkuh zu Boden! Aber wen wundert es, wenn man alle Kraft bei den Weibern läßt?«
    »Reden Sie keinen Blödsinn, sondern halten Sie sie auf!« schrie Katja zurück. Sie war auf dem glatten Schnee ausgeglitten und sprang nun wieder auf. Putkin rannte hinter der Elchkuh her, bekam Morotzkij zu fassen und stemmte sich in den Schnee.
    »Nicht loslassen!« schrie er. »Semjon Pawlowitsch, beißen Sie sich in Andrej fest. Nur ein fester Ruck … jetzt …«
    Andreas hatte das Gefühl, seine Arme würden ausgerissen, als die Elchkuh mit verzweifelter Kraft sich noch einmal gegen die Schlinge warf. Das war ihr Ende … die Schlinge zog sich zu, würgte ihr die Luft ab, sie begann zu zittern, knickte in den Vorderläufen ein und fiel dann seitlich in den Schnee. Mit ein paar Sprüngen war Putkin bei ihr, band ihr die Läufe zusammen und sah sich erst dann nach Andreas und Morotzkij um. Sie lagen hintereinander im Schnee, mit dem Gesicht nach unten, wie Erschossene. Die Susskaja hatte gerade Andreas erreicht und drehte ihn jetzt auf den Rücken.
    Sein Gesicht war blutverschmiert, wie über ein Reibeisen gezogen. Morotzkij versuchte, aufzustehen, aber sein linkes Bein wollte nicht. So blieb er liegen und rief nur Nadeshna zu, die durch den tiefen Schnee hüpfte wie ein Hase.
    »Wir haben sie! Wir haben sie.« Und als sie neben ihm im Schnee kniete, warf er die knochigen Arme um ihren Hals und zog sie zu sich herab. »Sie wird uns aus dem Wald hinausführen, Nadeshna«, flüsterte er und küßte das Ohr, in das er hineinsprach. »Verrat es den anderen nicht. Ich werde sie so abrichten, daß sie uns im Sommer zurück zu den Menschen führt –«
    Die Bestandsaufnahme nach diesem sibirischen Cowboyakt war deprimierend.
    Andreas Gesicht war zerschabt, und die Susskaja schmierte den letzten Rest Vaselinesalbe darauf, den sie noch in ihrer Arzttasche hatte.
    Morotzkijs linkes Bein war verstaucht, und er ertrug es mit Freuden, weil es nicht wieder gebrochen war, was eigentlich hätte der Fall sein müssen.
    »Seine Heilkraft ist unheimlich –«, sagte Putkin, nachdem er Katja geholfen hatte, einen elastischen Verband anzulegen. »Kein Saft in den Knochen, aber sie wachsen zusammen, wie mit Mörtel verschmiert. Haben Sie als Arzt dafür eine Erklärung?«
    »Nein.«
    Nadeshna brühte für die Verletzten eine Tasse von Kyrills schmerzstillendem Plattentee, sie schliefen danach wie betäubt, und Putkin kümmerte sich um die Elchkuh, die er – nur er konnte das mit seiner ungeheuren Kraft – hinter das Haus schleifte und mit einer der alten Zeltplanen zudeckte.
    »Jetzt hat

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