Die Verdammten der Taiga
jeder sein Spielzeug –«, sagte Putkin am Abend, als er mit den beiden Frauen am Ofen saß. »Semjon Pawlowitsch seine dämliche Elchkuh, Nadeshna ihre Schnitzerei, ich meine Goldwäscherei, Andrej seine Pläne für die Waschanlage. Was haben Sie, Katja Alexandrowna? Nur Andrejs Männlichkeit?«
»Vielleicht genügt das, Igor Fillipowitsch …?«
Es genügte wirklich.
Zwei Wochen später – Andreas' Gesicht verschorfte sich, aber er sah noch immer aus, als habe man seinen Kopf wie eine geriebene Kartoffel behandelt – hatte Putkin so viel Gold aus dem Flußufersand gewaschen, daß Morotzkij ihm zu den ersten 1.000 Rubeln gratulierte.
Andreas besuchte Putkin, der neben dem Goldwaschen auch noch seine kleine eigene Hütte baute, abwechselnd Holz fällte, in drei neuen Löchern auf dem Fluß Fische fing und im Umkreis von zwei Werst Fallen aufbaute, um Pelze zu gewinnen, aber dabei Munition zu sparen.
»Morgen helfe ich mit«, sagte Andreas und setzte sich auf einen großen Flußstein, den Putkin ausgegraben hatte und den er seinen ›Sessel‹ nannte. »Sollen wir einen neuen Vertrag machen oder genügt es, uns die Hand zu geben?«
»Worüber einen Vertrag?« fragte Putkin vorsichtig.
»Über das Gold. Wir schürfen gemeinsam, und wir teilen gemeinsam.« Er hielt seine Hand hin. »Bleibt es dabei?«
»Ist Putkin ein Lump, he? Wenn wir Verdammten nicht zusammenhalten, wo ist dann noch Ordnung in der Welt?« Er schlug in Andreas' Hand ein, aber dann hielt er sie fest. »Wer wollte denn im Frühjahr abwandern, wenn ich mich erinnere?« fragte Putkin. »Nach Deutschland fahren und leben wie ein Hosenwetzer?«
»Es hat sich etwas geändert.« Andreas setzte sich wieder, seine Hand noch immer in der Tatze Putkins. »Wir bleiben in der Taiga. Wir müssen für eine Zeitlang umdenken …«
»Das Gold, Andrej, hat dich endlich erreicht, was?« lachte Putkin.
»Nein, Igor Fillipowitsch.« Andres blickte hinüber zu seinem Haus. Die Susskaja saß draußen in der kalten Sonne, dick in ihren Pelz vermummt, und schabte das Fell eines Schneehasen sauber. »Sie hat es mir vorhin gesagt … wir bekommen ein Kind, Putkin. Wir bekommen ein Kind –«
XXI.
Erst beim gemeinsamen Fischen in den neugeschlagenen Eislöchern äußerte sich Putkin über das plötzliche Kinderkriegen der Susskaja. Er lag, unter sich ein dickes Bärenfell, auf dem Eis, beobachtete die großen Fische, die in geradezu blöder Zahmheit herumschwammen, und wartete, bis einer anbiß. Drei Meter neben ihm lag Andreas auf einem Rentierfell und stierte in das blauweiße Wasser, das unter der Eisdecke kräftig dahinströmte. Das Wasser war so klar, daß er den Grund sehen konnte, einen sandigen Boden, durchsetzt mit Kieseln. Putkin schien recht zu behalten: Dieser Fluß hatte das Gold von Jahrtausenden angesammelt, man brauchte es nur aufzuheben. Eines der Wunder Sibiriens, von denen er gelesen und die er immer als Propaganda angesehen hatte, als die Idealisierung eines Landes, das Märchen nötig hatte, um es zu lieben.
»Wie kann man so blöd sein, Andrej –«, sagte Putkin plötzlich. Er hatte einen großen zappelnden Fisch mit dem Kopf auf die Eisdecke geschmettert und dadurch getötet.
»Ich wußte, daß dich das nicht in Ruhe läßt«, antwortete Andreas.
»Kann es das, he?« Putkin richtete sich auf den Knien auf. Sein Bart, das ganze bärtige, von Haaren überwucherte Gesicht war eine Landschaft aus Eiszapfen. Jeder Schweißtropfen gefror sofort, jeder lange Atemzug setzte sich als Reif nieder. »Ein Kind! Jetzt! Was willst du mit einem Kind?«
»Es ist nicht mehr zu ändern, Igor Fillipowitsch.«
»Hätte ich das geahnt, ich hätte dich amputiert, Freundchen. Was soll ein Kind, wenn wir Gold waschen? Und wenn die Geburt Schwierigkeiten macht? Wie alt ist Katja Alexandrowna? Nicht mehr die Jüngste. Ein reifes Frauchen ist sie.«
»Sie wird einunddreißig …«
»Und dann das erste Kind. Sie wird Mühe haben, Andrej. Ein Weibsbild, das geboren ist, Kinder zu kriegen, mit einem Becken, in dem ein ganzes Haus voll Kinder Platz hat, Brüste, die eine ganze Generation ernähren könnten … aber doch kritisch, mein Freund, sehr kritisch. Hat sie dir auch erzählt, daß sie eine große Sportlerin ist? Noch in Suchana? Leichtathletik, Geräteturnen, schwang sich über den Barren wie eine Olympiaturnerin … das sind genau die Frauen, die beim Kinderkriegen Schwierigkeiten machen. Muskeln, die sich verkrampfen, die nichts durchlassen …« Putkin
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