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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beugte sich wieder über das Loch in der Eisdecke, nahm seine Schnur und lauerte auf einen neuen dicken Fisch. »Was willst du machen, wenn sich das Kind im Becken festklemmt? Es mit dem Messer rausholen?«
    »Daran wollen wir nicht denken, Igor Fillipowitsch.«
    Andreas blickte hinüber zu Katja. Sie spannte das Schneehasenfell zwischen vier Stangen, damit der Frost es trocknete. Im Frühjahr würde man dann versuchen, aus Rinden eine Lohe zu kochen, um die Häute haltbar zu machen. »Noch haben wir sieben Monate Zeit.«
    »Ist das eine Lösung der Probleme? Warten und hoffen? Und nachher dasitzen und die Sonne anheulen: Hilf mir, o hilf mir, mein Gott …«
    »Dumm reden war schon immer deine Stärke –«, sagte Andreas böse.
    Putkin verzichtete darauf, noch einen fetten Fisch aus dem Fluß zu holen, richtete sich wieder auf und setzte sich auf sein dickes Bärenfell. Er sah jetzt selbst wie ein Bär aus mit seinem zotteligen Mantel, der breiten Pelzmütze und dem Gesicht, das vor lauter Haaren und Eiszapfen nicht mehr zu erkennen war.
    »In der Taiga muß man sich selbst helfen, sonst frißt einen dieses herrliche Land.«
    »Ich kann zu dem Kind nicht sagen: Los, marsch, verwandele dich wieder in ein Ei!« sagte Andreas laut.
    »Aber man kann verhindern, daß es eines Tages in diese Mistwelt rutscht.«
    »Putkin –«, rief Andreas warnend.
    »Mach es weg, Andrej –«, sagte Putkin ungerührt.
    »Mit den bloßen Händen?«
    »Das muß durchdacht werden, Freundchen.« Putkin schlitzte den toten Fisch auf, nahm ihn aus und warf die Innereien zurück in das Eisloch. Es war eine ungewollte schreckliche Demonstration dessen, was er dachte, und Andreas zog schaudernd die Schultern nach vorn. »Katja Alexandrowna wird es nie zulassen, das weiß ich. Obwohl sie Ärztin ist und weiß, was passieren kann. Jetzt wird der Mutterinstinkt stärker sein als die Vernunft. Wir müssen sie überlisten.«
    »Sag kein Wort mehr, Igor Fillipowitsch!« rief Andreas und preßte die Hände gegen die Ohren. »Du bist ein Satan!«
    »Sie könnte stürzen. Ja, das wäre etwas! Warten wir ab, bis sie dicken Leibes ist, dann wird sie unglücklich fallen, und alles ist vorbei. Ich habe das einmal in Tobolsk erlebt, bei einer Frau, die hatte neun Kinder, und der Mann, ein Kerl, der sich schon auf der Treppe aufknöpfte, ließ nicht ab. Was tat die Frau? Sie fiel dreimal hintereinander die Treppe hinunter, es war glatt, keiner konnte ihr das übelnehmen, das Eis hing im Treppenhaus in Zapfen, und die Stufen waren wie eine Schlittenbahn. Also, sie kugelte hinunter, und schon war das Problem gelöst. Ich wohnte damals nebenan und half ihr, aufzustehen. Zweimal geschah nichts, beim drittenmal klappte es. ›Sie Rindvieh!‹ habe ich damals geschrien. ›Genossin, warum wickeln Sie nichts um die Schuhe, damit Sie nicht rutschen?‹ Und sie lachte, während sie blutete, und flüsterte mir zu: ›Igorenka, Sie Idiot, was verstehen Sie schon von Frauen?‹« Putkin zog einen Faden durch das Fischmaul und hängte ihn sich über die Schulter. »Man könnte Katja etwa im Frühjahr das Flußufer hinunterrollen lassen …«
    »Ich bringe dich um, Igor, wenn du sie hinunterstößt!« schrie Andreas zornbebend und sprang auf. »Ich freue mich auf mein erstes Kind.«
    »Er freut sich!« Putkin beugte sich wieder über das Loch im Eis. Ein neuer Fisch zappelte an seiner Schnur. »Katja wird bei der Geburt sterben, das sage ich dir.«
    Verwirrt ging Andreas zum Haus zurück. Morotzkij stand in einem Gatter, das er mit Nadeshnas Hilfe gebaut hatte, ein hoher Zaun aus Knüppelholz, und beschäftigte sich mit der Elchkuh. Sie war in den Tagen ihrer Gefangenschaft zutraulicher geworden, aber auf die Lockungen Morotzkijs fiel sie nicht herein, so sehr und so vorzüglich er auch die Laute eines lockenden Elchhirsches nachahmte. Er streckte die Hand vor, und bis zu den Fingerspitzen schnüffelte die Elchkuh, strich mit den weichen, dicken Nüstern über seine Hand, aber dann war der menschliche Geruch für sie doch zu penetrant, sie stakte rückwärts weg und drückte sich gegenüber an den Zaun.
    »Na komm …«, lockte Morotzkij. »Na komm … rouh … na komm …«
    Nadeshna hockte außerhalb des Geheges im Schnee und bewunderte ihren Geliebten. Ihr Engelsgesicht war in diesen Wochen etwas kantiger, aber noch schöner geworden, von einer reifen Zufriedenheit erfüllt.
    Katja kam von dem aufgespannten Fell zurück, in ihrem schwarzen Haar glitzerten die

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